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Wirtschaft und Moral

Der Wirtschaftswissenschaftler Jonathan Aldred verdeutlicht, wie wir in unserem Handeln von den ökonomischen Theorien der Vergangenheit und Gegenwart geleitet werden.

Der Duden gibt zum Verb »korrumpieren« an: für zweifelhafte Interessen, Ziele gewinnen; zu verachtenswerten Handlungen verleiten. Jonathan Aldred erklärt also in diesem Werk – wie der Untertitel »Die ethischen Folgen wirtschaftlichen Denkens« bereits durchblicken lässt – anhand der Geschichte der Wirtschaftswissenschaften, welche Auswirkungen die Umsetzung verschiedener Theorien der Disziplin auf das Handeln der Menschen hat.

Aus Sicht eines Mathematikers, Historikers, Politikers und Philosophen

Der Verfasser ist Director of Studies in Economics am Emmanuel College und lehrt an der University of Cambridge; er erfüllt also alle Voraussetzungen, um eine solche Ideengeschichte der Ökonomie vorzulegen. Doch seine Sicht auf das Thema ist wesentlich breiter als die eines reinen Ökonomen. Ganz wie es einer der wichtigsten Wirtschaftsmathematiker John Maynard Keynes von einem idealen Ökonomen erwartete, vereint Aldred die Blickwinkel eines Mathematikers, eines Historikers, eines Staatsmanns und eines Philosophen in sich, was das Buch sehr bereichert.

Aldred erklärt nicht nur die wichtigsten Theorien und Begriffe der Wirtschaftswissenschaft wie die Spieltheorie oder den »Homo oeconomicus«, einen rein rational handelnden Menschen, von dem ökonomische Theorien fälschlicherweise immer wieder ausgehen. Er ordnet sie auch aus politischer, ethischer oder psychologischer Sicht ein. Darüber hinaus schreckt er nicht davor zurück, deutliche Kritik zu üben. Etwa an der Gier der Hedgefonds-Manager, die realitätsblind an mathematische Modelle zur Gewinnmaximierung glauben, oder an der allgemeinen Ausrichtung seiner Disziplin, die sich stärker präskriptiv statt deskriptiv verhält, also immer mehr sagt, wie es sein sollte, statt wie es ist.

Der Autor moralisiert selbst nur selten, was dem Werk Glaubhaftigkeit verleiht. Viele Anekdoten lockern die zeitweise recht trockene Thematik auf, bisweilen nehmen sie aber überhand, und Aldred führt zur Erklärung eines Sachverhalts gleich drei Anekdoten und Vergleiche an.

Trotz des betont lockeren Stils ist das Buch sehr fundiert, sowohl in wirtschaftswissenschaftlicher als auch in ethischer Hinsicht. Hierzu trägt ein 40 Seiten langer Anhang bei. Mit seinen vielen Erklärungen und seinem Fokus auf die großen Zusammenhänge ist das Werk zwar für Laien geeignet, jedoch sind ein großes Interesse und ein langer Atem vonnöten – allein der Fließtext ist 400 Seiten lang. Wer sich für die Ökonomie, kuriose Anekdoten oder (im besten Fall) beides begeistert, kommt aber voll auf seine Kosten.

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