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Lexikon der Mathematik: Jensen-Konvexitätsungleichungen

Ungleichun-gen für konvexe Funktionen, die zurückgehen aufdie 1906 von Johan Ludvig William Valdemar Jen-sen veröffentlichte Ungleichung \begin{eqnarray}f\left(\mathop{\sum ^{n}}\limits_{t=1}{\alpha }_{t}{x}_{t}\right)\le \mathop{\sum ^{n}}\limits_{t=1}{\alpha }_{t}f({x}_{t})\end{eqnarray} für konvexe Funktionen f : I → ℝ auf einem Intervall I ⊂ ℝ, Gewichte α1,…,αn ∈ [0, ∞) mit \(\mathop{\sum ^{n}_{t=1}}{\alpha }_{t}=1\), und x1,…,xnI.

Bei streng konvexem f und α1,…,αn > 0 gilt in (1) genau dann Gleichheit, wenn x1 = … = xn. Man erhält diese Ungleichung durch Induktion über n aus der Konvexitätsbedingung.

Die entsprechende Ungleichung für Integrale lautet \begin{eqnarray}f\left(\mathop{\int }\limits_{T}\alpha (t)x(t)\,dt\right)\le \mathop{\int }\limits_{T}\alpha (t)f(x(t))\,dt\end{eqnarray} für T ⊂ ℝ, eine Gewichtsfunktion α : T → [0, ∞) mit \(\mathop{\int }_{T}\alpha (t)\,dt=1\) und x : TI, die Existenz der Integrale vorausgesetzt. Verzichtet man auf die Normierung der Gewichte und fordert nur \(\mathop{\sum ^{n}_{t=1}}{\alpha }_{t}\gt 0\) bzw. \(\mathop{\int }\limits_{T}\alpha (t)dt\gt 0\), so nehmen (1) und (2) die Gestalt \begin{eqnarray}f\left(\frac{\mathop{\sum ^{n}_{t=1}}{\alpha }_{t}{x}_{t}}{\mathop{\sum ^{n}_{t=1}}{\alpha }_{t}}\right)\le \frac{\mathop{\sum ^{n}_{t=1}}{\alpha }_{t}f({x}_{t})}{\mathop{\sum ^{n}_{t=1}}{\alpha }_{t}}\end{eqnarray} bzw. \begin{eqnarray}f\left(\frac{\mathop{\int }\limits_{T}\alpha (t)x(t)\,dt}{\mathop{\int }\limits_{T}\alpha (t)\,dt}\right)\le \frac{\mathop{\int }\limits_{T}\alpha (t)f(x(t))\,dt}{\mathop{\int }\limits_{T}\alpha (t)\,dt}\end{eqnarray} an. Durch Übergang von f zu -f erhält man ent-sprechende Ungleichungen (≥ statt ≤) auch für konkave Funktionen. Physikalisch interpretiert besagen (3) und (4), daß bei einer Massenverteilung α auf einer durch die Funktion x beschriebenen konvexen Kurve der Massenschwerpunkt oberhalb oder auf der Kurve liegt, wobei durch (3) diskrete und durch (4) kontinuierliche Massenverteilungen beschrieben werden.

Aus den Jensen-Konvexitätsungleichungen läßt sich eine Vielzahl anderer Ungleichungen der Analysis, wie z. B. die allgemeine Konvexitätsungleichung und die Ungleichungen für Mittelwerte, herleiten. Aus (2) erhält man mit α(t) = 1, f = exp die Ungleichung \begin{eqnarray}\exp \left(\mathop{\mathop{\int }\limits^{1}}\limits_{0}x(t)\,dt\right)\le \mathop{\mathop{\int }\limits^{1}}\limits_{0}\exp (x(t))\,dt\end{eqnarray} für integrierbare x : [0, 1] → ℝ, und daraus für g : [0, 1] → (0, ∞) mit integrierbarem ln g \begin{eqnarray}\exp \left(\mathop{\mathop{\int }\limits^{1}}\limits_{0}\text {ln}\,g(t)\,dt\right)\le \mathop{\mathop{\int }\limits^{1}}\limits_{0}g(t))\,dt,\end{eqnarray} was als Entsprechung zur Ungleichung zwischen geometrischem und arithmetischem Mittel gedeutet werden kann.

Die Konvexitätsungleichungen lassen sich leicht verallgemeinern auf ℝ-wertige Funktionen auf Vektorräumen (insbesondere ℝn) sowie auf allgemeinere Konvexitäts- und (für (2) und (4)) Integralbegriffe.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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