Direkt zum Inhalt

Körpersprache: In Italien gestikulieren Menschen doppelt so viel wie in Nordeuropa

Nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Art der Gesten, die wir beim Sprechen nutzen, scheint sich kulturell zu unterscheiden. Verschiedene kulturelle Werte könnten der Grund dafür sein.
Vier Hände geben das Okay-Zeichen
Gestikulieren gehört beim Sprechen dazu. Doch welche Bedeutung sie haben und wie häufig wir unsere Hände einsetzen, unterscheidet sich kulturell.

Dass Menschen in Italien viel gestikulieren, ist offenbar nicht bloß ein Klischee: Die Psycholinguistinnen Marianne Gullberg und Maria Graziano von der Universität Lund haben die Körpersprache von italienischen und schwedischen Probanden untersucht und herausgefunden, dass letztere nur etwa halb so viele Gesten während eines Gesprächs vollführen. Besonders interessant ist dabei die genaue Form der Körpersprache, die für verschiedene rhetorische Zwecke genutzt wird und auf kulturelle Unterschiede hindeutet. Die Ergebnisse ihrer Studie haben die zwei Forscherinnen am 26. März 2024 in »Frontiers in Communication« veröffentlicht.

Gullberg und Graziano ließen jeweils zwölf italienische und schwedische Probanden einen 90-sekündigen Ausschnitt der Trickfilmserie »Pingu« ansehen. Anschließend sollten die Teilnehmenden einer ihnen bekannten Person den Inhalt des Gesehenen wiedergeben. Wie sich herausstellte, gestikulierten Italienerinnen und Italiener im Schnitt 22-mal pro 100 gesprochene Worte, während Schweden nur halb so häufig ihre Hände einsetzten.

Doch die beiden Forscherinnen erkannten nicht nur einen Unterschied in der Häufigkeit, mit der gestikuliert wurde. Auch die Art der Körpersprache scheint in den Kulturen verschieden. Schwedinnen und Schweden verwenden beispielsweise meist gegenständliche Gesten, um das Erzählte zu untermauern: etwa das Rollen eines fiktiven Nudelholzes, wenn man vom Backen spricht. Die italienischen Testpersonen nutzten zwar ebenfalls gegenständliche Gesten, aber auch »pragmatische«, die eine Geschichte kommentieren oder auf neue Informationen hinweisen. Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel die Einstellung des Erzählers zum Gesagten interpretieren oder es werden überraschende Elemente mit einer Handbewegung gekennzeichnet.

»Das deutet darauf hin, dass Italiener und Schweden unterschiedliche rhetorische Stile beim Erzählen einer Geschichte nutzen und diese auf unterschiedliche Weise auffassen«, sagt Graziano. Während sich also Personen aus Schweden eher auf Ereignisse und Handlungen in Sprache und Gestik konzentrieren, nutzen Italienerinnen und Italiener ihre Körpersprache, um zusätzlich Metainformationen zu vermitteln. Warum sich die Kulturen in diesen Punkten unterscheiden, ist bisher unklar. Die Forscherinnen vermuten, dass einige Kulturen dem Erzählen andere Werte zuschreiben könnten als andere.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen
Frontiers in Communication: 10.3389/fcomm.2024.1314120

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.