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Neujahrsvorsätze: Dieses Jahr nehme ich wirklich ab!

Das neue Jahr wird als Neustart für das Ich gesehen. Abnehmen und mehr Sport treiben steht bei vielen ganz oben auf der Liste der persönlichen Ziele. Aber warum definieren die meisten die Selbstverbesserung in erster Linie über ihren Körper und ihr Gewicht?
Frau steht auf der Waage
Für viele gehört sie zum Jahresanfang wie der Weihnachtsbraten zu den Festtagen: die Diät.

Die Weihnachtsklöße lagen noch schwer im Magen, da stand man schon wieder in der Küche und schnippelte dies und das fürs reichhaltige Silvester-Raclette. Mal abgesehen vom Nachmittagsspaziergang fiel Bewegung in den vergangenen Wochen auch aus, weil der regelmäßige Sporttermin der Vorbereitung der Feiertage oder dem Besuch des Weihnachtsmarkts weichen musste. Nun aber, im neuen Jahr, ist Schluss mit der Völlerei und Trägheit. Jetzt geht es los: mehr Sport, gesünder ernähren, endlich abnehmen. Fünf Kilo mindestens, acht wären noch besser. Prost auf die guten Vorsätze!

Alle Jahre wieder nehmen sich zahlreiche Menschen im Land vor, im neuen Jahr etwas für ihren Körper zu tun. Gleich dreimal taucht dieses Motiv in einer Umfrage zu den Top-Five der Neujahrsvorsätze für 2024 auf. Das am häufigsten genannte Vorhaben für dieses Jahr ist zwar »mehr Geld sparen« (51 Prozent). Doch gleich auf Platz zwei und drei folgen »mehr Sport treiben« (48 Prozent) und »sich gesünder ernähren« (46 Prozent). Auch Platz fünf beschäftigt sich mit dem eigenen Körper: »abnehmen« benannten 37 Prozent als persönliches Ziel für 2024.

Mit zuverlässiger Beharrlichkeit wollen Menschen zu Beginn eines jeden Jahres die im vergangenen Jahr angefutterten Kilos wieder loswerden, endlich regelmäßig Sport treiben und die Körperform optimieren. Doch wieso? »Warum Menschen häufig zum neuen Jahr auf diese Ideen kommen, lässt sich aus psychologischer Perspektive gut erklären«, sagt Ulrike Gisch, Professorin für Ernährungspsychologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. »Das Ende des alten und der Beginn des neuen Kalenderjahres markiert einen Neustart. Das ist ein klarer Marker des Umbruchs.«

Ein Neustart des Ichs im neuen Jahr also. Klingt nachvollziehbar. Irgendeinen Startpunkt muss man ja wählen. Warum also nicht einen, der ohnehin schon für einen Neubeginn steht und zu dem man später gut Bilanz ziehen kann? Der 1. Januar bleibt leichter im Gedächtnis haften als der 6. April (Welttag des Sports) oder der 7. April (Weltgesundheitstag) – oder eben irgendein beliebiger Tag im Jahr.

Themenwoche »Mein Körper, mein Gewicht«

Jedes Jahr das Gleiche: Nach der Schlemmerei in der Adventszeit nehmen sich viele Menschen zu Jahresbeginn vor, weniger zu essen und Kilos zu verlieren. Doch warum definieren sich Menschen so oft über ihre Körperform und ihr Gewicht? Von den psychologischen Motiven hinter dem Neujahrsvorsatz »Abnehmen«, der strauchelnden Body-Positivity-Bewegung bis hin zu Ansätzen wie intuitivem Essen und den neuesten Entwicklungen in der Adipositasmedizin: In dieser Themenwoche laden wir dazu ein, die Körperwahrnehmung und das eigene Gewicht aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

  1. Neujahrsvorsätze: Dieses Jahr nehme ich wirklich ab!
  2. Schlankheitskult: Das Ende der Body Positivity?
  3. Fettleibigkeit: Warum der Body-Mass-Index in die Irre führt
  4. Intuitives Essen: Spüren, was der Magen sagt
  5. Adipositasmedikamente: Hype ums neue Abnehmen
  6. Abnehmen: »Medikamente wie Wegovy sind keine Lifestyle-Drogen«

Und noch ein weiterer Zusammenhang liegt nahe: jener zwischen Neustart und Selbstverbesserung. Denn wo irgendetwas in eine neue Runde geht, kommt man ins Überlegen, ob alles gut so ist, wie es ist, oder ob einen etwas stört und man etwas anpassen, verändern, verbessern möchte. Bloß: Warum liegt der Fokus der Selbstverbesserung allzu oft auf dem eigenen Körper? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen ist der Körper das Maß der Attraktivität, die in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert hat. So ergibt ein Review von 196 Publikationen zu dem Thema, dass Menschen mit gutem Aussehen dadurch zahlreiche soziale, kulturelle und wirtschaftliche Privilegien besitzen. Dazu ist der Körper eng mit der Gesundheit verknüpft. Mitunter wird er gar als Spiegelbild der Persönlichkeit aufgefasst. So werden attraktiven Personen in der Regel positivere Charaktereigenschaften zugeschrieben als unattraktiven.

Welche dieser, nun ja, Beweggründe für die Menschen am meisten wiegen und für die Neujahrsvorsätze verantwortlich sind, dazu sagt Ernährungspsychologin Gisch: »Für manche Menschen ist es wichtig, als attraktiv wahrgenommen zu werden. Andere hingegen wollen vor allem gesund sein. Wobei die Aspekte auch zusammenhängen: Gesundheit wird häufig mit Attraktivität verknüpft.«

Es komme zudem ein wenig darauf an, wen man frage. »Je älter Menschen werden, desto wichtiger wird ihnen das Thema Gesundheit«, erklärt Gisch. Im höheren Alter stehe es zumeist an oberster Stelle, noch vor sozialen Kontakten, Familie oder dem Berufserfolg. »Da sind wir alle ja auch unmittelbar mit dem Tod konfrontiert.« Teenager und junge Erwachsene hingegen denken in der Regel nicht so sehr über den Tod nach. In dieser Altersspanne dürfte die eigene Attraktivität als wichtiger gelten, so die Expertin.

Weshalb der Fokus auf dem Körper liegt

Und warum spielt bei den Neujahrsvorsätzen das Körpergewicht eine so herausragende Rolle? Wieso wollen so viele Menschen zu Jahresbeginn abnehmen? »Es ist tatsächlich ziemlich spannend, dass so viel über das Gewicht ausgehandelt wird«, sagt Gisch. »Denn letztlich können wir sagen, dass das Gewicht – und vor allem der BMI – gar kein guter Marker für Gesundheit ist.«

Weshalb es dennoch für so viele Menschen eine zentrale Rolle spielt, wie viel sie wiegen und dass sie zum Jahresbeginn ein paar Kilos abnehmen, dazu nennt Gisch drei Gründe. Der erste ist eher banal: Zu Weihnachten und Silvester wird gleich an mehreren Feiertagen in kürzester Zeit ordentlich geschlemmt, dazu kommen jede Menge Plätzchen und Schokolade aus der Adventszeit. Zudem pausiert zwischen den Jahren vielerorts das regelmäßige Sportprogramm. Da fühlt man sich voll, und das soll sich ändern.

»Die Diskriminierung, die rund um das Thema Adipositas besteht, ist ein ganz wichtiger Faktor«Ulrike Gisch, Ernährungspsychologin

Der zweite Grund, warum uns das Gewicht so wichtig erscheint: »Es ist etwas, was wir leicht messen können«, sagt Gisch. »Wir können jeden Morgen auf die Waage steigen, gucken, wie viel wir wiegen, und haben einen klaren numerischen Wert.« Und etwas, was man leicht messen kann, kann man auch leicht beobachten und schnell klare numerische Erfolge sehen. »Das können wir mit unseren Blutwerten zum Beispiel nicht so ohne Weiteres selbst tun.«

Und der dritte Punkt: »Das Gewicht wird in unserer Gesellschaft mit ganz vielen Eigenschaften verknüpft«, erläutert Gisch. Denn diejenigen, die weniger wiegen, werden etwa auf neuen Positionen eher eingestellt als Menschen mit Mehrgewicht. Schlanke bekommen zudem mehr Gehalt, werden im Gesundheitswesen weniger benachteiligt und als attraktiver wahrgenommen. »Die Diskriminierung, die rund um das Thema Adipositas besteht, ist ein ganz wichtiger Faktor dafür, dass Menschen Gewicht verlieren wollen.«

Bei Frauen sei diese Stigmatisierung besonders ausgeprägt. Einerseits werden übergewichtige und adipöse Frauen stärker diskriminiert, sowohl von Männern als auch von anderen Frauen. Andererseits hängt es für Frauen stärker als für Männer vom eigenen Gewicht ab, wie zufrieden sie mit ihrem Körper sind. Bei Männern sei das Thema zwar nicht ganz so präsent, dennoch gewinne es immer mehr an Bedeutung. »In unserer heutigen Gesellschaft haben Menschen mit einem niedrigeren Körpergewicht viele Vorteile«, so die Psychologin, »und das ist natürlich etwas, was Menschen, die sich ändern wollen, als erstrebenswert ansehen.«

Wieso wir den Versuch trotz Scheitern wiederholen

Doch sich zu ändern ist oftmals gar nicht so leicht. Vor allem Neujahrsvorsätze haben den Ruf, dass sie ja doch nicht umgesetzt oder aber nach einigen Wochen wieder aufgegeben werden. Ob das tatsächlich so ist, lässt sich schwer sagen, denn allzu viele Studien zur Erfolgsrate gibt es nicht. In einer der Untersuchungen, die es gibt – sie stammt aus dem Jahr 1988 –, gaben 60 Prozent der 200 Befragten nach drei Wochen an, noch erfolgreich ihre Vorhaben umzusetzen. Nach drei Monaten waren es noch 43 Prozent, zwei Jahre später sank die Quote auf 19 Prozent. In einer anderen, aktuelleren Studie gab etwa die Hälfte der Befragten nach einem Jahr an, ihren Vorsätzen noch nachzukommen.

Ob es nun 40, 50 oder 80 Prozent sind, die ihren einst aufgestellten Vorsätzen nach Wochen oder, wenn es besser läuft, einigen Monaten abtrünnig werden: Viele von ihnen dürften sich dieselben Vorsätze zum darauf folgenden Jahreswechsel erneut vornehmen. Und im Jahr darauf wieder. Und im nächsten Jahr abermals. Doch aus welchem Grund kommt man nach einem Scheitern Anfang des folgenden Jahres wieder auf dieselbe Idee?

Vielleicht spielt eine Rolle, was Psychologen »state-dependent memory« nennen – das zustandsabhängige Gedächtnis. Das bedeutet: Menschen erinnern sich besser an etwas, wenn sie im selben Zustand sind wie zu jener Zeit, zu der die Erinnerung abgespeichert wurde. Die Idee abzunehmen kehrt also mit dem nächsten Feiertagsbraten zurück ins Gedächtnis, doch die Erinnerungen an die Schmerzen von Entbehrung und körperlicher Ertüchtigung tun es in diesem Moment nicht.

Eine weitere Erklärung könnte auch der »familiarity bias« sein, die Ähnlichkeitsverzerrung. Denn Menschen finden etwas besser, wenn sie es schon kennen – eine Mahlzeit, ein Shampoo, einen Pulli oder eben eine Verhaltensweise. Und das sogar manchmal dann, wenn sie wissen, dass es die schlechtere Alternative ist. Zum Jahreswechsel nehmen sie sich also womöglich erneut vor, Gewicht zu verlieren – einfach, weil sie es schon mal so gemacht haben.

Und je häufiger man einen Fehler begeht, desto wahrscheinlicher wird, dass man ihn auch noch ein weiteres Mal macht – das ist der »frequency bias«, die Frequenzillusion. Denn Menschen überschätzen die Häufigkeit von Dingen, die sie kennen. Wer sich einmal damit beschäftigt, zu Neujahr abzunehmen, dem fällt eher auf, wie viele andere Menschen sich dasselbe vornehmen. Das wiederum verstärkt den Wunsch, es selbst auch wieder zu versuchen.

Es scheint also, leider, zutiefst menschlich zu sein, dass wir einmal gemachte Fehler mitunter erneut begehen. Vielleicht hilft es ja, die Sichtweise und die Fragestellung umzudrehen. Nicht: Warum mache ich denselben Fehler wieder? Sondern: Gut, dass man zum nächsten Jahr wieder gesünder leben, mehr Sport treiben oder schlicht abnehmen will – wie mache ich es dieses Jahr (noch) besser als im letzten?

»Menschen fällt es manchmal schwer, Intentionen in Verhalten umzusetzen. Eine Absicht zu fassen, etwas zu tun, bedeutet noch lange nicht, dass man dieses Verhalten dann auch wirklich ausführt«, sagt der Psychologe Sebastian Bürgler, der an der Universität Zürich zu Selbstkontrolle und Gewohnheiten forscht. »Dieses Phänomen wird in der Psychologie als ›intention-behavior gap‹ bezeichnet, also als Lücke zwischen einer Intention und dem intendierten Verhalten.«

»Aus ernährungspsychologischer Perspektive würde ich immer empfehlen, eine Veränderung des Gesundheitsverhaltens anzustreben und nicht eine Veränderung des Gewichts«Ulrike Gisch, Ernährungspsychologin

Warum diese Lücke bestehe, habe diverse Gründe: »Mitunter vergisst man schlichtweg, das intendierte Verhalten auszuführen, und macht aus Gewohnheit das, was man bisher gemacht hat. Oder es drängt sich ein anderes Ziel auf, das einem in diesem Moment wichtiger erscheint«, sagt Bürgler. »Ab und zu machen einem auch die äußeren Umstände einen Strich durch die Rechnung. Außerdem kann es an mangelnder Selbstkontrolle liegen: der Fähigkeit, sich zu unangenehmen Tätigkeiten aufzuraffen, dabei durchzuhalten und ungewollten Handlungsimpulsen nicht nachzugeben.«

Klare Ziele helfen Neujahrsvorsätze durchzuhalten

Ein Problem der Neujahrsvorsätze sieht Bürgler darin, dass sich Menschen, aus psychologischer Sicht betrachtet, nicht immer klare und gut durchdachte Ziele setzen. »Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Menschen ihre Ziele zu unspezifisch formulieren und keine genauen Pläne machen, wie diese Ziele überhaupt erreicht werden können, oder wie sie mit möglichen Hindernissen umgehen, die beim Verfolgen der Ziele auftreten können.«

Genau das ist auch einer der Punkte, die der Gießener Ernährungspsychologin Ulrike Gisch besonders am Herzen liegen: die Zielsetzung. »Aus ernährungspsychologischer Perspektive würde ich immer empfehlen, eine Veränderung des Gesundheitsverhaltens anzustreben und nicht eine Veränderung des Gewichts.« Man solle sich also nicht vornehmen, fünf Kilo abzunehmen. Besser sei es zu planen, beispielsweise zweimal die Woche Sport zu machen und dazu jeden Tag Gemüse und Obst zu essen oder was auch immer gut zum eigenen Alltag passt. »Wer sich zum neuen Jahr vornehmen möchte, seinem Körper etwas Gutes zu tun, sollte dabei nicht zu stark auf die Waage fokussieren«, sagt Gisch. »Denn die Waage ist kein guter Gesundheitsmarker.«

12 Tipps, um gesünder zu leben und nachhaltig sein Gewicht zu regulieren

  1. Achten Sie auf ausreichend Nachtruhe. Schlafmangel führt dazu, dass man tagsüber träge ist und sich weniger bewegt. Zudem fördert er das Hungergefühl und wirkt sich negativ auf den Fettstoffwechsel aus.
  2. Vermeiden Sie Stress. Dieser führt nämlich zu weniger Schlaf. Darüber hinaus bewirkt das Stresshormon Kortisol, dass sich vermehrt Fettgewebe im Bauchraum ansammelt.
  3. Verzichten Sie auf Zucker. Er hat nicht nur viele einfache Kohlenhydrate, sondern tötet womöglich auch Darmbakterien, die die Bildung von Fettzellen unterbinden, wie Studien an Mäusen zeigen.
  4. Vieles deutet darauf hin, dass ein ausreichend diverses Mikrobiom gut für die Figur ist. Daher gilt: Öfter fermentierte und ballaststoffreiche Nahrungsmittel essen, da sie die Vielfalt der Darmbakterien unterstützen.
  5. Nehmen Sie abends nicht zu große Mahlzeiten zu sich. Vor allem späte Chronotypen sind anfällig dafür.
  6. Versuchen Sie sich insgesamt mehr zu bewegen. 10 000 Schritte verbrennen zwischen 300 und 400 Kalorien.
  7. Essen Sie nur, wenn Sie auch Hunger haben. Verzichten Sie also auf das unbewusste Snacken zwischendurch.
  8. Kochen Sie mit frischen Zutaten selbst. Denn Fast Food und Fertiggerichte enthalten vergleichsweise viele Kalorien, machen aber oftmals nur kurz satt.
  9. Treiben Sie Sport. 30 Minuten intensive körperliche Ertüchtigung – etwa Laufen, Fahrradfahren oder ein Workout – verbrennt zwischen 300 und 600 Kalorien.
  10. Setzen Sie sich konkrete Ziele, etwa 20 Minuten Bewegung pro Tag. Solche Vorhaben sind leichter einzuhalten als vage Entschlüsse wie: Ich werde mehr Sport machen.
  11. Trinken Sie ausreichend Wasser. Dies unterstützt den Körper bei der Gewichtsabnahme. Außerdem kann Trinken dem Hungergefühl entgegenwirken.
  12. Versuchen Sie, Ihre Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten nachhaltig zu ändern. Das klappt nur, wenn sich Ihre Vorhaben gut in den Alltag integrieren lassen.

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