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Süddeutschland in der Bronzezeit: Reiche Bauern und ihre Habenichtse

In der Bronzezeit wurden Reichtum und Armut über Generationen vererbt: Wohlhabende Kernfamilien umgaben sich mit einer Schar Abhängiger und vermittelten ihre Töchter in die Fremde.
Diese Frau, gefunden in Kleinaitingen, kam aus der Ferne an den Lech

Funde rund um das heutige Augsburg zeigen, wie die bronzezeitliche Gesellschaft offenbar klar nach »oben« und »unten« trennte. Oben standen die reichen Bauernfamilien, die den Mittelpunkt der örtlichen Gesellschaft bildeten und ihren Besitz an ihre Nachkommen vererbten. Unten stand die Schar der Abhängigen, die mit ihnen auf demselben Hof lebten – und der Familie bis nach dem Tod verbunden blieben. Denn Reiche wie Arme wurden auf dem gutseigenen Friedhof bestattet, wobei allerdings nur die Mitglieder der Kernfamilie wertvolle Gaben mit ins Grab bekamen.

Das und mehr lesen Archäologen und Genetiker um Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und Phillip Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität München aus der Erforschung von 118 Toten aus Gräberfeldern im Lechtal, südlich des heutigen Augsburger Stadtgebiets. Wie sie mit Hilfe von Gendaten, Isotopenanalysen und archäologischen Methoden ein komplexes Bild der damaligen Gesellschaft zeichnen, beschreiben sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins »Science«.

Die ältesten Funde stammen aus der Frühphase der Bronzezeit, sie sind ungefähr 4500 Jahre alt, die jüngsten sind knapp 700 Jahre jünger. Zu jener Zeit war das Lechtal wegen seiner fruchtbaren Böden dicht besiedelt. Gehöfte zogen sich wie Perlen an einer Schnur am Rand einer kleinen Anhöhe entlang. Die Farmen, so zeigen die Grabungen, blieben über viele Generationen hinweg in der Hand einer Familie, genauer gesagt in deren männlicher Linie: Immer war es einer der Söhne, der mit seinen Nachkommen am Hof blieb.

Frauen hingegen scheinen wesentlich mobiler gewesen zu sein. Wie das Wissenschaftlerteam schon bei früheren Untersuchungen herausfand (und ausführlich in »Spektrum der Wissenschaft« beschrieb), hatten einige der im Lechtal bestatteten Frauen eine weite Reise auf sich genommen. Das ergab sich aus dem chemischen Fingerabdruck, den die Region, in der jemand lebt, in Knochen und Zähnen hinterlässt. Er zeigte, dass einige Frauen nicht aus dem Lechtal stammten, sondern sehr wahrscheinlich sogar außerhalb des Alpenvorlands geboren wurden.

Offenbar kamen sie als Bräute der jungen Söhne an die Höfe. Den wertvollen Beigaben ihrer Gräber nach zu urteilen, genossen sie hohes Ansehen und waren auch in Tracht und Lebensweise offenbar gut in die örtliche Gemeinschaft integriert. Als Herkunftsort vermuten die Wissenschaftler die Zentren der Aunjetitzer Kultur etwa im heutigen Sachsen-Anhalt oder weiter östlich davon. Angehörige dieser Kultur sind die Schöpfer der berühmten Himmelsscheibe von Nebra. Womöglich brachten die von dort eingeheirateten Frauen das Wissen um die Bronzeverarbeitung an den Lech, spekulieren die Forscher.

Fernbeziehungen in der Bronzezeit

Aber auch die Söhne der wohlhabenden Bauern machten sich auf Reisen – anders als die Frauen kehrten jedoch viele von ihnen wieder an ihren Geburtsort zurück. So gleicht in ihrem Fall die regionale Isotopenanalyse in den zuerst wachsenden Backenzähnen dem der zuletzt wachsenden. Die mittleren Backenzähne hingegen konservierten einen längeren Aufenthalt fern der Heimat. Vielleicht suchten sie in der Fremde Handwerkswissen, Reichtum oder Eheglück, vielleicht zogen sie auch mit Fernhandelskarawanen mit. Die Männer und Frauen in den »Armengräbern« hatten keine derartigen Reisen unternommen. Sie stammten aus der Lechregion selbst. Ob es sich bei ihnen um unfreie Sklaven oder eher Knechte und Mägde handelte, ist offen.

Bislang hätten Wissenschaftler sich den Aufbau der bronzezeitlichen Gesellschaft anders vorgestellt, schreiben die Wissenschaftler um Erstautorin Alissa Mittnik, die derzeit an der Harvard University forscht. Im klassischen Bild stünde einer Hand voll von Angehörigen der Elite eine große Zahl von einfachen Bauern gegenüber. Stattdessen scheint die grundlegende Organisationsform das bäuerliche Gehöft gewesen zu sein – eine Gesellschaftsstruktur, die nicht ohne historische Parallelen ist: Ganz ähnlich seien »familia« und »oikos« bei den antiken Römern und Griechen aufgebaut gewesen. Auch hier hätte sich um die Besitzerfamilie eines bäuerlichen Anwesens eine Schar von Sklaven gruppiert, die einen festen Teil der Familie bildete. Allerdings sind die Höfe des Lechtals mindestens 1500 Jahre älter.

Die ältesten Funde, die die Forscher im Dreieck zwischen Lech und Wertach machten, lassen sich der Schnurkeramik zuordnen. Angehörige dieser Kultur oder ihre Vorfahren brachten vermutlich indoeuropäische Sprachen aus der pontischen Steppe nach Mitteleuropa. Dieses genetische Erbe ließ sich auch an den im Lechtal gefundenen Menschen nachweisen. Jüngere Funde gehören zum »Glockenbecher-Phänomen«, einer Kultur, die sich mit Beginn der Bronzezeit über große Teile Europas auszubreiten begann.

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