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Wirtschaftliche Folgen: Was kostet der Klimawandel?

Die Erderwärmung wird zu einer immensen finanziellen Belastung in den kommenden Jahrzehnten - auch für Länder wie Deutschland. Der immaterielle Schaden ist dabei kaum kalkulierbar.
Kalifornische Landwirtschaft 2021: Erst die Dürre, dann der Wasserguss. Eine überschwemmte Baumplantage

Mitte Juli 2021 ereignete sich eine der furchtbarsten Flutkatastrophen in der Geschichte Deutschlands: Die Wasserströme richteten insbesondere an der Ahr in Nordrhein-Westfalen ungeheuerliche Schäden an. Mehr als 130 Menschen starben, Tausende sind noch immer obdachlos, hunderte Gebäude wurden weggerissen. Neben viel Leid für die Betroffenen und ihre Familien bedeutete das Ereignis einen hohen wirtschaftlichen Schaden, Schätzungen belaufen sich auf zweistellige Milliardenbeträge. Der Aufbaufonds der Bundesregierung beläuft sich auf 30 Milliarden Euro.

Schon kurz danach wurde der Klimawandel für die Katastrophe verantwortlich gemacht. Für ein einzelnes Ereignis lässt sich das zwar nicht mit Sicherheit beweisen, doch Fakt ist, dass mit steigender Durchschnittstemperatur die Häufigkeit von Extremwetterereignissen zunimmt. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dadurch in wirtschaftlicher Hinsicht zu erwarten sind – und wie man sie gegebenenfalls eindämmen kann. Nicht umsonst hat der vom Weltwirtschaftsforum 2020 in Auftrag gegebene »Global Risk Report« den Klimawandel als die größte Bedrohung der globalen Ökonomie gewertet: Neuesten Schätzungen zufolge könnte die Wirtschaftsleistung bis Ende des Jahrhunderts weltweit um 37 Prozent sinken – was mehr als dem Doppelten des Rückgangs während der Weltwirtschaftskrise 1929 entsprechen würde.

Das Wetter wird extremer

Dafür muss man die Kosten für die entstehenden Schäden abschätzen. Die unmittelbaren materiellen Verluste durch Umweltkatastrophen lassen sich recht gut bemessen. So kostete Hurrikan Katrina, der 2005 über die Ostküste der USA hinwegzog, umgerechnet etwa 130 Milliarden Euro; die Kosten für die europäische Hitzewelle im Sommer 2003, die unter anderem Ernteausfälle hervorrief, beliefen sich auf etwa 13 Milliarden Euro, während das Elbehochwasser 2002 etwa 10 Milliarden Euro kostete. Enorme Summen, selbst für reiche Länder – doch der wahre Preis liegt noch höher.

Extremwetter wie Hitzewellen und Sturzfluten gefährden nachhaltig landwirtschaftliche Betriebe und die Viehzucht. Im Mittleren Westen der USA haben extreme Regenfälle seit 1950 um etwa 37 Prozent zugenommen. Weltweit verzeichnete man zwischen 1970 und 1979 zirka 711 Extremwetterereignisse, deren Schaden auf umgerechnet 150 Milliarden Euro geschätzt wird – von 2000 bis 2009 waren es bereits 3536 solcher Katastrophen, die uns 800 Milliarden Euro kosteten.

Doch das sind nicht die einzigen Einflüsse, die ein sich wandelndes Klima auf die Weltwirtschaft hat. Wärmeres Wetter geht beispielsweise mit sinkender Arbeitsproduktivität einher, wenn die Hitze es unmöglich macht, Tätigkeiten im Freien nachzugehen oder bestimmte Materialien zu verarbeiten. Auch Niedrigwasser in Flüssen kann Produktionsstätten lahmlegen, die auf die kühlende Flüssigkeit angewiesen sind, wie es im Herbst 2018 bei der BASF in Ludwigshafen der Fall war. Gleichzeitig steigt der Energiebedarf, um Büroräume und Server-Farmen zu kühlen.

Wenn Flüsse über die Ufer treten, sind sowohl Fabriken als auch die technische Infrastruktur wie Flughäfen, Autobahnen und mithin ganze Städte bedroht. Gleiches gilt für Küstenregionen, die durch den Meeresspiegelanstieg in Mitleidenschaft gezogen werden, ganz zu schweigen von der zerstörerischen Kraft der Orkane, die wegen der wärmeren Gewässer künftig häufiger auftreten könnten. Und nicht zuletzt leiden schlicht die menschliche Gesundheit, das Ökosystem und damit die biologische Vielfalt unter den steigenden Temperaturen und ihren Auswirkungen.

Was kostet die Welt?

Während sich die direkten wirtschaftlichen Schäden für materielle Verluste, den wachsenden Energiebedarf und die Sicherung von Trinkwasser zumindest grob abschätzen lassen, ist völlig unklar, wie man indirekte Auswirkungen ökonomisch bemessen soll, etwa die schrumpfende Biodiversität oder die gesundheitlichen Folgen für Menschen. Außerdem hängen diese Ausgaben stark vom Ausmaß des Klimawandels ab: Erhöht sich die Temperatur im Lauf des Jahrhunderts um zwei Grad oder um fünf? Steigt der Meeresspiegel um einen Meter an oder mehr? Und welche Folgen bringt das jeweils mit sich?

Das sind Fragen, die sich bisher nicht mit ausreichender Genauigkeit beantworten lassen. Abhängig davon, wie viel Treibhausgase wir in Zukunft weiter ausstoßen, ergeben sich verschiedene, selbst wiederum mit Unsicherheiten behaftete Szenarien. Einig sind sich Forscherinnen und Forscher in einem Punkt: Die Durchschnittstemperatur wird auch weiterhin steigen – wie stark, hängt von unserem Handeln ab, wobei alle Maßnahmen, mit denen ein weiterer Anstieg eingedämmt werden soll, wiederum Geld kosten.

Bisher gingen Ökonomen und Ökonominnen davon aus, dass der globale wirtschaftliche Schaden durch den Klimawandel die Welt bis Ende des Jahrhunderts zwischen 1,5 und 10 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung kosten dürfte. Doch eine im September 2021 erschienene Studie von Jarmo S. Kikstra und seinem Team zeichnet ein völlig anderes Bild: Je nach Ausprägung des Klimawandels könnte dieser zwischen 6 und 51 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr 2100 verschlingen, mit 37 Prozent als Mittelwert.

Anders als in bisherigen Arbeiten berücksichtigten sie, dass die Umweltkatastrophen auch langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft eines Landes haben können. Denn nicht immer erholen sich Staaten von fatalen Ereignissen schnell, manchmal sind umfassende Maßnahmen nötig, die noch jahrzehntelang Kosten nach sich ziehen. Die Schwankungen in den prognostizierten Werten verdeutlichen, mit wie vielen Unsicherheiten quantitative ökonomische Vorhersagen belegt sind. Unstrittig ist jedoch, dass alle Modelle einen Einbruch der globalen Weltwirtschaft prognostizieren.

Die Rechnung zahlen die anderen

Wie die Modelle belegen, werden die schlimmsten Auswirkungen der Erderwärmung aber nicht die USA oder Europa treffen, sondern Länder des globalen Südens. Das liegt einerseits an deren geografischer Lage und den damit einhergehenden klimatischen Verhältnissen. Denn dort ist es jetzt schon häufig sehr warm und trocken, zudem hängt ihre Wirtschaft oft von landwirtschaftlicher Produktion ab. Andererseits fehlt den ärmeren Ländern das Geld, um sich gegen die zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Klimaerwärmung zu wappnen oder sich an die veränderten Bedingungen anzupassen.

Aus diesem Grund hatten sich die Industriestaaten bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009 verpflichtet, den Entwicklungsländern ab 2020 jährlich mindestens 100 Milliarden US-Dollar zu überweisen, rund die Hälfte davon für Anpassungsmaßnahmen. Gehalten haben die Staaten das Versprechen bislang nicht. Dabei reicht diese Summe bestenfalls, um die gröbsten Schäden abzudecken. Bis 2030 dürfte der Betrag, der für Anpassungsmaßnahmen nötig ist, auf 140 bis 300 Milliarden US-Dollar klettern, schätzen die Vereinten Nationen.

Auch wenn Deutschland im Vergleich zu anderen Regionen auf der Erde die Auswirkungen des Klimawandels weniger stark zu spüren bekommt, wird es durch die vernetzten Handelsbeziehungen davon betroffen sein. Zu diesem Schluss kamen Forscherinnen und Forscher in einer 2020 erschienenen Studie, die das Umweltbundesamt in Auftrag gegeben hat. Die Fachleute sollten abschätzen, welche Folgen der Klimawandel auf die deutsche Wirtschaft haben wird und welche Maßnahmen Unternehmen und die Bundesregierung ergreifen müssten, um mögliche Schäden abzumildern.

Folgen für Deutschland

Die Forscher und Forscherinnen kamen zu dem Schluss, dass der deutsche Importsektor stärker betroffen sein wird als der Exportsektor. Die wichtigsten Handelspartner seien zwar vor allem andere europäische Nationen und die USA, die von den Auswirkungen des Klimawandels wahrscheinlich weniger stark betroffen sein werden. Doch daneben steht Importland Nummer eins China, das vor allem in Regionen mit wichtigen Produktionsstandorten anfällig für Folgen des Klimawandels ist.

Der Handel mit jenen zwölf Ländern, die in ihrer Gesamtheit besonders stark vom Klimawandel bedroht sind, machte im Jahr 2015 rund fünf Prozent des deutschen Import-Export-Geschäfts aus, das sind ungefähr 50 Milliarden Euro beim Export und genauso viel beim Import. Allen voran Brasilien, Indien, Südafrika, Vietnam und Thailand zählen zu diesen Ländern. Von dort stammen beispielsweise Rohstoffe wie Kaffeebohnen, von denen die Bundesrepublik so viel verarbeitet und wieder exportiert wie kein anderes Land. Aus Thailand bezieht die deutsche Wirtschaft zum Beispiel Festplatten.

Welche Auswirkungen der Ausfall von Lieferketten haben kann, ist der Welt momentan so bewusst wie nie. Durch die Coronakrise sind etliche Rohstoffe und technische Geräte wegen stillgelegter Häfen und Fabriken von Lieferengpässen betroffen. Der Klimawandel könnte solche Probleme in Zukunft verstärken. Daher raten die Expertinnen und Experten deutschen Unternehmen, ihre Handelsverflechtungen zu prüfen und möglichst zu diversifizieren. Die Bundesrepublik sollte mehr Importe aus dem europäischen und nordamerikanischen Raum oder der Türkei beziehen und gleichzeitig Anpassungs- und Schutzmaßnahmen in vulnerablen Ländern unterstützen.

Dass gerade der letzte Punkt entscheidend ist, verdeutlicht eine im Oktober 2021 veröffentlichte Studie. Wie die Forscher um Kilian Kuhla vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung herausfanden, summieren sich die Effekte von Lieferausfällen nicht bloß auf, sondern könnten sich aufschaukeln und dadurch wesentlich mehr Schaden verursachen als bisher angenommen. »Wenn sich verschiedene Wetterextreme überlagern, sind die wirtschaftlichen Verluste in der gesamten vernetzten Weltwirtschaft im Durchschnitt um 20 Prozent höher als die Verluste durch die einzelnen Ereignisse zusammen«, erklärt Kuhla. Besonders stark betroffen seien dabei große Volkswirtschaften wie China. Zu ihren Ergebnissen gelangten die Forscher, indem sie 1,8 Millionen wirtschaftliche Beziehungen zwischen mehr als 7000 regionalen Wirtschaftssektoren mit Computerunterstützung simulierten.

Im Vergleich zu anderen Ländern hat Deutschland aber nicht nur einen geografischen Vorteil, sondern auch einen industriellen. Durch den Export von klimafreundlichen Technologien wie emissionsarmen Anlagen oder Elektromobilität sowie Techniken zur Schadensbekämpfung könnte die Bundesrepublik in einigen Wirtschaftsbereichen sogar wachsen. Daher gilt es als umso wichtiger, weiterhin in Innovation und neue Technologien zu investieren.

Der Preis für Kohlendioxid
Eine der Maßnahmen, um die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren, ist die Bepreisung von Kohlenstoffdioxid. In manchen Ländern zahlen Unternehmen eine pauschale Steuer auf die Menge der ausgestoßenen Gase, in anderen gibt es eine Börse, an denen mit Zertifikaten gehandelt wird. Ein Grundgedanke ist, dass der Preis, den der Verschmutzer für CO2 zahlt, idealerweise den wirtschaftlichen Schaden aufwiegen soll, den er verursacht. Dazu muss man unter anderem festlegen, welchen Wert man allgemein verfügbaren Gütern wie atmosphärischer Luft oder Biodiversität beimisst und welchen finanziellen Wert ein menschliches Leben oder verlorene Lebensjahre haben. Im Endergebnis kommen Wirtschaftsfachleute auf ganz unterschiedliche Preise: Während das Umweltbundesamt die sozioökonomischen Kosten einer Tonne CO2 mit 195 Euro bemisst, gab die UN einen Wert zwischen 110 und 140 Euro an. Das alles liegt deutlich über dem tatsächlichen Preis einer Tonne CO2 im europäischen Emissionshandel, der bei etwa 60 Euro liegt. In ihrer kürzlich erschienenen Studie kommen Jarmo Kikstra und seine Kollegen auf einen Wert von umgerechnet etwa 2600 Euro pro Tonne.

Nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere Länder ist es also höchste Zeit, vorausschauende Maßnahmen zu ergreifen. Direkte Umsetzungen wie die Erhöhung von Deichen oder die Vertiefung von Brunnen sind notwendig. Aber auch die weitere Entwicklung von Frühwarnsystemen kann extrem hilfreich sein. Das zeigt sich insbesondere daran, dass sich die Zahl der Extremwetterereignisse in den letzten 70 Jahren zwar mehr als vervierfacht hat, die Anzahl der Todesopfer aber insgesamt dennoch gesunken ist.

All diese Maßnahmen bekämpfen allerdings bloß die Symptome – und sind nutzlos, wenn man nicht gegen die Ursache vorgeht. Entscheidend ist, die weitere Erwärmung unseres Planeten so gut wie möglich zu begrenzen. Das ist zwar nur mit großem finanziellem Aufwand möglich, doch im Vergleich zu den Kosten einer aus dem Ruder gelaufenen Erwärmung ist es allemal ein gutes Geschäft.

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