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Schlangengift: Tödlicher Biss

Zehntausende werden jährlich durch Schlangenbisse getötet. Der fatale Mangel an Gegengift lässt die Experten über Wege aus der Krise streiten.
Lanzenotter zeigt ihre Giftzähne

Bei Abdulsalam Nasidi klingelte kurz nach Mitternacht das Telefon: Der Gesundheitsminister Nigerias war am Apparat und teilte ihm mit, er würde dringend im Benue Valley gebraucht. Er sollte dort einige im Sterben liegende Patienten untersuchen, die aus Nase, Mund und Augen bluteten. Dem Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums schossen sofort so schaurige Namen wie Ebola, Lassafieber und Marburg-Virus durch den Kopf. Als er in Benue Valley ankam, sah er, dass viele Kranke einfach auf dem Boden lagen und Zelte als provisorische Krankenstationen und Leichenhallen aufgebaut waren.

Nasidi war schnell klar, dass der Verursacher der mysteriösen Krankheit wesentlich größer war als ein Virus. Die Regenzeit hatte eingesetzt, und die Bauern hatten im Tal mit den Pflanzungen begonnen. Dabei hatten die heftigen Überschwemmungen die Sandrasselotter (Echis ocellatus) aufgeschreckt, und weil sich viele der Armen keine Stiefel leisten konnten, konnten sie sich gegen die Bisse der hochgiftigen Schlangen nicht schützen. Nasidi wollte unbedingt helfen, hatte jedoch nur begrenzte Möglichkeiten. Er hatte lediglich eine kleine Menge Gegengift dabei, mit dem sich das Toxin zwar neutralisieren ließ, das aber schnell aufgebraucht war. Als die Versorgung im Krankenhaus nicht mehr möglich war, kamen auch keine Leute mehr. Keiner weiß, wie viele gestorben sind. In einem durchschnittlichen Jahr erliegen hunderte Nigerianer den Schlangenbissen, doch diese Regenzeit zu Beginn 2012 war keineswegs durchschnittlich.

Schlangenbisse entwickeln sich langsam zum Problem der öffentlichen Gesundheit. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden weltweit jedes Jahr etwa fünf Millionen Menschen von Schlangen gebissen; 81 000 bis 138 000 davon sterben, und etwa dreimal so viele können nur mit einer Amputation gerettet werden oder sind dauerhaft entstellt. So manche Schätzung nennt sogar noch höhere Zahlen. So kommt eine Überblicksarbeit von 2011 zu dem Schluss, dass allein in Indien im Jahr 2005 mehr als 45 000 Menschen einem Schlangenbiss erlagen. »Von den eh schon vernachlässigten tropischen Krankheiten werden Vergiftungen durch Schlangenbisse am wenigsten beachtet«, sagt David Williams, der als Toxikologe und Herpetologe an der University of Melbourne in Australien arbeitet und den Vorsitz der Non-Profit-Organisation Global Snakebite Initiative in Herston innehat.

»Von den eh schon vernachlässigten tropischen Krankheiten werden Vergiftungen durch Schlangenbisse am wenigsten beachtet«
David Williams

Viele Fälle lassen sich mit den bekannten Gegengiften behandeln, aber die vorhandenen Mengen reichen bei Weitem nicht für alle Betroffenen aus. Im September 2015 wurde das schon lange bestehende Problem endlich weltweit bekannt, als die Organisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) bekannt gab, dass die letzten Bestände des Gegengifts Fav-Afrique zur Neige gingen – und damit traf es ausgerechnet dasjenige Medikament, das gegen den Biss der giftigsten Schlangen half. Der französische Pharmariese Sanofi Pasteur aus Lyon hatte beschlossen, die Produktion im Jahr 2014 einzustellen. Dies könnte nach Schätzungen von Ärzte ohne Grenzen jährlich 10 000 Todesopfer mehr zur Folge haben, was nach Meinung ihres Beraters aus Paris, Julien Potet, einer Katastrophe vom Ausmaß der Ebola-Epidemie gleichkäme. Doch nachdem die meisten Betroffenen in den ärmsten Gegenden der Welt leben, wurde das Problem lange ignoriert.

Gegengift ist leicht herzustellen – und dennoch rar

Im Mai 2016 wurde die Krise dann erstmals bei der jährlichen Weltgesundheitsversammlung (World Heath Assembly, WHA) in der Schweiz diskutiert. Die Spezialisten für Schlangenbisse – weltweit nur eine Hand voll Experten – versammelten sich hierfür in einem kleinen Konferenzraum im Palais des Nations in Genf; doch auch wenn sie sich prinzipiell über das Problem einig waren, über die Lösung waren sie es nicht. Die einen wollten Ansätze aus der synthetischen Biologie, andere wollten Hightech-Tools nutzen und eine ganz neue Generation von Breitbandgegengiften entwickeln. Wieder andere meinten, die bisherigen Antidots seien sicher, wirksam und günstig, weshalb sich der Fokus eher auf die Verbesserung von Produktion, Preis und Einsatz richten sollte. »Aus Perspektive des Arztes geht immer die Behandlung der Patienten und die öffentliche Gesundheit vor«, sagt Leslie Boyer, die an der University of Arizona in Tucson das Institut zur Erforschung von Gegengiften leitet.

Gabunviper | Schlangenbisse gehören zu den unterschätzten und wenig beachteten Gesundheitsrisiken in tropischen Ländern. Menschen werden unter anderem gebissen, weil sie Tiere bedrängen oder sie wegen deren Tarnung übersehen.

Die Debatte verlief wie so oft, wenn es um Probleme von Entwicklungsländern geht – seien es Verbesserungen in der Landwirtschaft oder die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser. Sind Hightech-Lösungen wirklich nötig, oder sind nicht günstigere, weniger technisch-innovative Lösungen ausreichend? Für Jean-Philippe Chippaux, der als Arzt am französischen Forschungszentrum in Cotonou in Benin in Afrika arbeitet, ist es eigentlich ganz einfach: »Wir haben jetzt die Chance, das Problem zu lösen. Es will nur keiner tun

Jedes Jahr im Dezember strömen etliche Opfer der Schlangen in das Port Moresby General Hospital in Papua-Neuguinea. Fast alle wurden von Taipanen (Oxyuranus scutellatus) gebissen, einer der giftigsten Schlangenarten der Familie der Giftnattern, die immer zu Beginn der Regenzeit auftauchen. Ihr Gift verhindert die Blutgerinnung des Opfers, lähmt seine Muskeln und führt langsam und qualvoll zum Tod. Für David Williams, der in Australien wohnt und arbeitet, ist es so etwas wie ein Schrei aus der Ferne. »Da herrscht unglaubliches Leid nur 90 Minuten entfernt von der modernen Welt«, sagt er. Aber der Toxikologe weiß auch, dass diese Leute noch Glück haben. Die Krankenstation kann immerhin acht Giftnatternopfer gleichzeitig behandeln und ist oft der einzige Ort im Land, an dem es überhaupt Gegengift gibt. Ohne dieses sterben etwa 10 bis 15 Prozent aller Betroffenen – mit Behandlung nur 0,5 Prozent. Und das ist überall auf der Welt so. »Viele Länder wollen nicht zugeben, dass sie mit solch einem vorzeitlich anmutenden Problem zu kämpfen haben«, weiß Chippaux.

An der Methode, wie das Gegengift hergestellt wird, hat sich wenig geändert, seit sie von dem französischen Arzt Albert Calmette im Jahr 1890 entwickelt wurde. Die Forscher spritzen minimal kleine Mengen des aus Schlangen gewonnenen Gifts in Tiere, seien es Pferde oder Schafe, und regen so die Bildung von Antikörpern an, die an die Toxine binden und sie neutralisieren. Dabei wird die Dosis des Giftes langsam gesteigert, bis die Tiere riesige Mengen neutralisierender Antikörper produzieren. Diese werden anschließend aus dem Blut des Tiers gewonnen, aufgereinigt und den Schlangenopfern injiziert.

Giftschlange wird gemolken | Gegengifte werden häufig hergestellt, indem die gefährlichen Arten gemolken werden: Die Schlange wird zum Biss gedrängt und gibt dabei den Giftstoff in ein Glas ab.

In ganz Lateinamerika wird in staatlichen Laboren Gegengift hergestellt und kostenlos verteilt. In anderen Ländern aber, besonders den Ländern südlich der Sahara in Afrika, ist es oft unmöglich, an die lebensrettenden Medikamente zu kommen. In vielen dieser Staaten fehlt die Infrastruktur oder der politische Wille, Gegengift zu beschaffen und zu verteilen. Bestechlichkeit und Korruption treiben häufig den Preis des eigentlich günstigen Wirkstoffs in die Höhe, so dass der Großhändlerpreis von 18 bis 200 US-Dollar (etwa 16 bis 177 Euro) pro Fläschchen auf 40 bis unglaubliche 24 000 US-Dollar (35 bis 21 000 Euro) für die gesamte Behandlung eines Einzelnen steigt, wie eine Analyse aus dem Jahr 2012 feststellte. Doch nicht alle Krankenhäuser und Kliniken können sich Gegengift überhaupt leisten, und manche wollen auch das Risiko der Vorratshaltung nicht eingehen, angesichts der Patienten, die möglicherweise nicht bezahlen können oder wollen, weil sie an der Wirksamkeit zweifeln.

Pharmafirmen stoppen unrentable Produktion

Ohne verlässlichen Markt haben einige Pharmaunternehmen ihre Herstellung der Gegengifte erst einmal lahmgelegt. So stoppte Sanofi Pasteur die Produktion von Fav-Afrique, weil sich bei einem Endpreis von etwa 120 US-Dollar (rund 106 Euro) pro Fläschchen nicht genug verkaufen lässt, um rentabel produzieren zu können. Insgesamt 35 staatliche und kommerzielle Hersteller stellen Gegengift für die ganze Welt her, doch nur fünf für Subsahara-Afrika. Weil diese Medikamente dann fehlen, versuchen sich Opfer von Schlangenbissen anders zu helfen, sei es durch Trinken von Petroleum, durch Stromschläge oder mit Umschlägen aus Kuhdung und Wasser, erzählt Tim Reed, der Geschäftsführer von Health Action International aus Amsterdam.

Doch auch der Wirkstoff selbst ist nicht unproblematisch, erklärt Robert Harrison, der das Centre for Snakebite Research & Interventions an der Liverpool School of Tropical Medicine im Vereinigten Königreich leitet. Die Gegengifte haben oft nur eine begrenzte Halbwertszeit und müssen ständig kühl gelagert werden, was in abgelegenen Gebieten ohne Strom ein großes Problem darstellt. Außerdem wirken viele ausschließlich gegen ein ganz bestimmtes Schlangengift; deshalb müssten die Krankenstationen eine ganze Reihe verschiedener Medikamente vorrätig haben. Nur in einigen wenigen wie Fav-Afrique sind mehrere Antikörper zu einem Breitbandwirkstoff kombiniert.

Spinnen- und Skorpiongifte enthalten in der Regel ein oder zwei toxische Proteine, Schlangengifte können mehr als zehnmal so viele enthalten. Ein echtes »Durcheinander an Molekülen« nennt es Alejandro Alagón, der als Toxikologe an der Universidad Nacional Autónoma de México in Mexico City arbeitet. Selbst die Wissenschaftler wissen nicht immer, welche der Proteine in der Giftsuppe die schlimmsten sind – und genau deshalb hoffen viele auf die moderne Biologie.

Moderne Technologien entschlüsseln Schlangengift

Harrison von der Liverpool School of Tropical Medicine und José María Gutiérrez, Toxikologe von der Universidad de Costa Rica in San José, begannen vor einigen Jahren damit, ein Universalgegengift für Subsahara-Afrika zu generieren. Sie wollten »Venomics« und »Antivenomics« kombinieren, sprich Gifte und Gegengifte untersuchen und dabei die schädlichen Proteine im Gift mittels Array-Technologie bestimmen. Dabei nutzen sie verschiedenste Methoden von der Genomsequenzierung bis hin zur Massenspektrometrie, um die spezifischen Strukturen, so genannte Epitope, zu entdecken, die im Menschen eine immunologische Reaktion hervorrufen und sich durch Antikörper der Gegengifte neutralisieren lassen.

Die Wissenschaftler kommen langsam, aber stetig voran. 2015 konnte Gutiérrez mit seinem Team die toxischsten Proteine von Giftnattern der Familie Elapidae identifizieren und isolieren. Die Forscher entwickelten eine Giftigkeitsskala, indem sie Informationen über die Häufigkeit der einzelnen Proteine und über die Letalität in Mäusen miteinander kombinierten. Anhand der Skala soll sich dann zeigen, wie dringlich die verschiedenen Proteine mit Gegengift neutralisiert werden müssen – ein erster Schritt in Richtung Behandlung.

Schlangenbisse – ein verkanntes Problem | Der Biss von Giftschlangen gehört zu den größten Gesundheitsrisiken südlicher Länder – und steht weit vor der gefürchteten Lepra oder der Schlafkrankheit.

Im März 2016 berichtete dann ein brasilianisches Team über seinen neuen Ansatz. Die Forscher hatten kurze DNA-Stücke generiert, die für wichtige toxische Epitope des Gifts der Korallenotter (Micrurus corallinus), ebenfalls ein Mitglied der Familie der Elapidae, codierten. Die DNA injizierten sie in Mäuse, die daraufhin Antikörper gegen das Gift bildeten; zusätzlich steigerten sie die Immunreaktion der Tiere, indem sie ihnen synthetische, in Bakterien hergestellte Antikörper injizierten. Nicht nur diese Ansätze lassen Robert Harrison davon ausgehen, dass schon in wenigen Jahren die ersten Studien mit dem Gegengift im Menschen durchgeführt werden können. Nachdem aber nur wenige Wissenschaftler daran arbeiten, wenig Fördergelder zur Verfügung stehen und außerdem die Komplexität der Schlangengifte enorm ist, verrät das – auch seiner Meinung nach – großen Optimismus.

»Wir haben jetzt die Chance, das Problem zu lösen. Es will nur keiner tun«
Jean-Philippe Chippaux

Auch wenn es immer mehr Veröffentlichungen in Richtung Antivenomics gibt, sind Alagón and Chippaux von diesem Weg keinesfalls überzeugt. Nach Meinung von Alagón müssten die neu entwickelten Gegengifte Zehntausende von Dollars je Dosis kosten, damit es überhaupt realistisch ist, sie zu produzieren; außerdem würde keine Pharmafirma sie ohne großzügige Regierungsunterstützung herstellen. Man müsste das einmal mit den äußerst niedrigen Preisen der bekannten Gegengifte vergleichen: »Noch billiger geht es nicht«, sagt er. »Mit der schon seit 80 Jahren bekannten Methode lässt sich eine ganze Charge von Gegengift an einem einzigen Tag produzieren.« Produzenten für die neuen Medikamente zu finden, könnte sogar noch schwieriger werden als die Entwicklung. Williams gibt auch zu, dass die Regierungen oder Nichtregierungsorganisationen (NGO) letztlich einsteigen und die Entwicklungskosten tragen müssten. Trotzdem sind nun erst einmal alternative Ansätze nötig, um »die Behandlung der Vergiftungen durch Schlangenbisse in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu revolutionieren«, resümiert er.

Eklat im UN-Hauptquartier wegen der weiteren Strategie

All die Probleme, die sich in fast einem Jahrzehnt zusammengebraut hatten, führten bei der Konferenz im Mai 2016 in Genf zu einem echten Eklat. Etwa 75 Wissenschaftler, Public-Health-Experten und Delegierte der World Heath Assembly (WHA) versammelten sich um drei lange Tische eines Konferenzraums im dritten Stock des United Nations Headquarter. Von draußen prasselte der Frühlingsregen gegen die großen Scheiben. Die Lichter waren gedimmt, und die Schreie eines Kleinkindes erfüllten den Raum. Es lief ein kurzer Dokumentarfilm, eine Produktion der Global Snakebite Initiative: die Geschichte eines Mädchens, das von einer Kobra gebissen worden war. Die Eltern hatten ihr Kind tagelang über die steinigen Straßen Afrikas getragen, um irgendwie an ein Gegengift zu gelangen. Und sie hatten es geschafft – das Mädchen überlebte, auch wenn es seinen Arm nicht mehr bewegen konnte. Seine Schwester dagegen war gestorben, nachdem sie von einer Schlange derselben Art gebissen worden war.

In dem Meeting sollten die Beteiligten von dem Ausmaß des Problems überzeugt werden – über Lösungen sollte als Nächstes diskutiert werden. 90 Minuten lang wurden kurze, begeisterte Reden von Wissenschaftlern und NGO-Vertretern gehalten, um das Thema allgemein und die aufgetretenen Schwierigkeiten darzulegen. Jede der Präsentation hatte dieselbe zentrale Message: Wir brauchen mehr Gegengift. Die Stimmung im Raum war allerdings angespannt. Chippaux und Mitglieder der African Society of Venomology (Afrikanische Gesellschaft für Gifte) waren enttäuscht und verärgert, dass so wenige Afrikaner als Sprecher eingeladen waren, obwohl Afrika der Kontinent mit dem akutesten Mangel an Gegengift ist. »Unsere Stimme und unser Anliegen wurden völlig übersehen«, schimpfte Chippaux. In der ersten Reihe flüsterten und gestikulierten einige wild, und Chippaux hatte Mühe, sie davon abzuhalten hinauszustürmen.

Ihrer Meinung nach rühre der aktuelle Mangel an Gegengift daher, dass Afrika lediglich auf ausländische Firmen und Regierungen setze; die einzige Lösung wäre, dort selbst Infrastrukturen aufzubauen und qualitativ hochwertiges Gegengift zu produzieren. Alagón hält den Ansatz der Antivenomics für gefährlich. »Damit fördern wir nur, dass immer mehr brillante Köpfe und Ressourcen der Entwicklung der Gegengifte mittels gängiger Technologien entzogen werden«, argumentiert er. »Vielleicht gehört die Methode ja im Jahr 2050 zur Standardtechnik, aber die Probleme haben wir heute.«

Südamerika entwickelt neue Gegengifte

Williams und Gutiérrez sind eher für einen Mittelweg. Ihrer Meinung nach sollte man das Problem von allen Seiten her angehen, also auch mit innovativen Ansätzen. Gutiérrez ruft die bisherigen Hersteller aber ebenso dazu auf, die Produktion der bekannten Medikamente zu steigern. Hierfür gibt es immer mehr Anzeichen. Lateinamerika produziert schon lange Gegengifte für seinen eigenen Bedarf wie den aller möglichen anderen Länder der Welt. Bereits bevor Sanofi Pasteur den Produktionsstopp von Fav-Afrique ankündigte, testeten Costa Rica, Brasilien und Mexiko Gegengifte für verschiedene Gegenden in Afrika. Eines der Produkte ist EchiTAb-Plus-ICB und wird von Costa Rica produziert. Es wirkt gegen eine Reihe afrikanischer Vipernspezies, hat 2014 die klinischen Studien durchlaufen und kann nun angewendet werden. Auch mehrere andere Gegengifte sollten in den nächsten zwei Jahren so weit sein – und vor allem sollten die Medikamente bezahlbar sein. Die staatlichen Labore in Costa Rica hatten schon angedeutet, dass sie mit den Gegengiften kein Geld verdienen, sondern lediglich ihre Ausgaben wieder hereinholen wollen.

»Das Wichtigste ist es, den Kreislauf von Wirkungslosigkeit und Mangel an Gegengift in Afrika zu durchbrechen«
Leslie Boyer

Doch das weitere Vorgehen ist noch unklar. Für Williams war das Treffen der World Health Assembly nur der Anfang. Ihm zufolge sind noch viele Meetings nötig, um einen konkreten Aktionsplan aufstellen zu können. Die Diskussionen lassen ihn und so manchen anderen immerhin hoffen, dass die internationale Gemeinschaft langsam die Schlangenbiss-Problematik ernst nimmt. Hierauf wollen sie mit ihren Aktionen bei zukünftigen Konferenzen und in den Medien aufbauen.

In Leslie Boyers Augen ist es egal, für welche Lösung man sich letzten Endes entscheidet; das Wichtigste sei, »den Kreislauf von Wirkungslosigkeit und Mangel an Gegengift in Afrika zu durchbrechen«. Dies bedeutet aber auch, bei den Regierungen, den Helfern im Gesundheitssystem und bei der Bevölkerung das Vertrauen aufzubauen, dass die Medikamente sicher und wirksam sind, dass die Krankenstationen ausreichend Gegengift vorrätig haben und dass die Therapie für die Menschen bezahlbar ist. »Ohne dieses Vertrauen geht gar nichts«, weiß Boyer. Durch die Ausrichtung der lokalen Krankenhäuser auf rechtzeitige Behandlung und Pflege der Schlangenbissopfer könnte sich die Zahl der Todesfälle langfristig verringern.

Nasidi erzählt noch von der verheerenden Situation in Benue Valley. Seiner Meinung nach würde es schon helfen, den armen Bauern einfach Stiefel zur Verfügung zu stellen, was so manches Leid und etliche Todesfälle verhindern könnte. Vielleicht ist es sogar die beste und einfachste Methode zum Schutz vor Schlangen: die verletzliche Haut des Menschen zu bedecken.

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