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Versorgung: 5 Ideen gegen Wasser- und Nahrungsknappheit in Afrika

Vielerorts in Afrika fehlt sauberes Wasser. Doch auch ohne den massiven Einsatz von Energie kann man Felder bewässern, Trinkwasser beschaffen und einen Strand zum Blühen bringen.
In vielen Regionen der Welt ist Trinkwasser Mangelware

In den heißen und trockenen Regionen Afrikas ist es nicht einfach, Lebensmittel anzubauen, diese zu bewässern und frisch zu halten oder einfach auch nur Trinkwasser zu gewinnen. Wir präsentieren fünf Beispiele, in denen nachhaltige Technologie und Innovation helfen, die Menschen umweltfreundlich mit Wasser und Nahrung zu versorgen.

Äthiopien: Ein Turm als Oase

Alternativer Wasserturm von Warkawater in Äthiopien

Im Jahr 2007 entwickelte der Architekt Arturo Vittori das Modell für MoonBase Two – ein aufblasbares Habitat, das Forschern längere Aufenthalte auf dem Mond ermöglichen soll. Wasserversorgung war für das Design ein Schlüsselproblem. »Das Wasser muss von der Erde gebracht und dann auf dem Mond in einem geschlossenen Kreislauf wiederverwertet werden«, erläutert Vittori. Auch in der Atmosphäre der Erde erzeugen Wasserverdunstung und Niederschlag einen Kreislauf. Es wird geschätzt, dass uns weltweit 12 900 Kubikkilometer Wasser ständig in Form von unsichtbarem Wasserdampf umgeben. Das entspricht dem fünffachen Volumen von Afrikas größtem Wasserkörper, dem Victoriasee. Vittori überlegte schon bald, wie er diesen gewaltigen Wasservorrat anzapfen könnte. Der Italiener erinnerte sich an seine Jugend im Tal des Tiber, wo morgens die Netze, mit denen die Landarbeiter Oliven auffingen, nass vom Tau waren.

2015 schließlich ragte in dem äthiopischen Bergdorf Dorze eine elf Meter hohe, turmartige Struktur in den Himmel – ein Prototyp, der von Vittori ersonnen wurde und sich Warka-Turm nennt, in Anlehnung an das äthiopische Wort für Feigenbaum.

Dieser Turm sammelt Trinkwasser und macht sich dabei die klimatischen Charakteristika Äthiopiens zu Nutze – die hohe Luftfeuchtigkeit des Hochlands und die starken Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Er besteht aus einfachen Materialien, die in Äthiopien erhältlich sind: vor allem Bambus, außerdem biologisch abbaubares Plastik und Zellstoff, Hanf und Bolzen.

Neben den italienischen Olivennetzen lieferte auch die Natur selbst Ideen zur Nutzung ihres atmosphärischen Wasservorrats – insbesondere in Gestalt des Panzers des Namib-Käfers, der Lotosblume, von Spinnennetzen und Kakteen. Im Inneren des Turms wird ein Maschennetz aus Nylon und Polypropylen aufgespannt. Darin sammelt sich Wasser aus drei Gründen: Nebeltropfen verfangen sich in den feinen Maschen, Morgentau bildet sich auf der Oberfläche des Netzes, und Regen fällt hinein. Dieses Wasser fließt dann in einen Sammeltank am Fuß des Turms. Die kleinste Version des inzwischen weltweit verbreiteten Warka-Turms ist nun fünf Meter hoch, kostet 3000 US-Dollar und kann 50 Menschen täglich mit Trinkwasser versorgen.

Kenia: Entsalzung mit Sonnenenergie

Auch in Kenia geht es darum, ländlichen Gemeinden einfachen Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen. Steigende Meeresspiegel werden in den Küstenregionen der Welt zunehmend dazu führen, dass Grundwasser durch salziges Meerwasser verunreinigt wird. Im kenianischen Küstenort Kiunga, weniger als 30 Kilometer von der Grenze zu Somalia entfernt, war dies bereits der Fall. Eine seit 2014 anhaltende Dürre hatte dort dafür gesorgt, dass der Salzgehalt des Brunnenwassers ständig anstieg. Die einzige alternative Wasserquelle war eine Stunde von Kiunga entfernt und bot nur verschmutztes Brackwasser, in dem Tiere badeten und tranken, mit Erregern und Parasiten verseucht. Die Menschen wurden krank.

Als Hayes Barnard von der amerikanischen gemeinnützigen Organisation GivePower von der Situation in Kiunga hörte, war ihm klar, dass er den Standort für GivePowers erste mit Solarstrom betriebene Wasserfarm gefunden hatte. »Wir müssen nachhaltige Methoden entwickeln, um Trinkwasser aus den Meeren in einem ständig ausbaufähigen Umfang zu gewinnen«, sagt Barnard. Seine Organisation betreibt Solarstromanlagen in Entwicklungsländern an mehr als 2600 Standorten.

Die fotovoltaische Anlage in Kiunga verwandelt nun seit Juli 2018 Meer- und Brackwasser in Trinkwasser. Der in Tesla-Batterien gespeicherte Solarstrom versorgt dabei eine Entsalzungsanlage, die mit Umkehrosmose funktioniert. Das verunreinigte Wasser wird unter hohem Druck durch halb durchlässige Membranen gepresst – Wassermoleküle gelangen durch, Salz und andere Verunreinigungen nicht. Die Anlage kann bis zu 75 000 Liter pro Tag produzieren, genug, um 35 000 Menschen zu versorgen. Diese zahlen dafür zwischen 0,5 und 3 US-Cent pro Liter anstatt der in Kenia üblichen 25 bis 30 Cent. Aus den Einnahmen sollen weitere Wasserfarmen finanziert werden.

Somaliland: Tomaten in der Wüste

Seewasserbetriebenes Gewächshaus im Somaliland | Noch befindet sich die Anlage im Aufbaustadium. Sie ist modular konzipiert, so dass sie sich entlang des Küstenstreifens immer weiter kopieren lässt.

Wer von Kiunga aus im Indischen Ozean das Horn von Afrika umschifft, erreicht Somaliland, eine autonome und de facto unabhängige Region Somalias. Hier, in der gnadenlosen Hitze am Golf von Aden, lässt der Brite Charlie Paton Tomaten in der Wüste wachsen. Möglich macht es seine clevere Erfindung, das Meerwassertreibhaus. »All die Konflikte in dieser Region gehen letztlich auf Süßwassermangel zurück. Für mich ging es bei diesem Projekt deswegen darum, das klassische Auf-Dürre-folgt-Hungersnot-Mantra zu durchbrechen«, so Paton.

Patons Modell bietet sich überall dort auf der Welt an, wo es genügend Sonne und Meerwasser, aber nicht genug Trinkwasser gibt. Nach ersten Erfolgen mit einem Pilotprojekt auf der Kanarischen Insel Teneriffa in den 1990er Jahren kooperiert Paton seit 2000 mit der Aston University im mittelenglischen Birmingham und hat seitdem Meerwassertreibhäuser in Abu Dhabi, dem Oman und Australien erbaut.

»Ein konventionelles Bewässerungssystem, um einen einzigen Menschen für ein Jahr lang mit Gemüse zu versorgen, würde normalerweise einen Kohlenstoffdioxidausstoß von rund zwei Tonnen verursachen«, schreibt Paton in einer Studie. Sein Meerwassertreibhaus reduziert hingegen den Süßwasserbedarf und nutzt Sonnenenergie zur Entsalzung. Dabei geht es vor allem darum, die Menge an Wasser zu reduzieren, die Pflanzen und der Erdboden an die Umgebung verlieren. Dafür hat er eine Art Beduinenzelt entwickelt.

Fotoselektive Schattennetze, die zu heißes Infrarotlicht reflektieren, ersetzen die Glasdächer der Vorgängermodelle. Solarbetriebene Pumpen bringen Salzwasser aus dem nur 200 Meter entfernten Golf von Aden zu dem Treibhaus. Dieses Wasser hält dann poröse Pappwände an den Seiten der Zelte befeuchtet. »Der heiße Wüstenwind bläst durch diese Pappwände, wird dadurch gekühlt, entsalzt das Wasser und lässt im Inneren einen Süßwasserdunst entstehen«, erläutert Paton.

Die Innentemperatur sinkt um 10 bis 15 Grad, die Luftfeuchtigkeit hingegen steigt um fast 100 Prozent. Der Wasserverlust fällt dadurch auf nur noch ein bis zwei Liter Wasser pro Quadratmeter und Tag. »Draußen wären es bei einer Durchschnittstemperatur von 42 Grad rund 15 Liter«, sagt Paton. Der so stark reduzierte Bewässerungsbedarf wird dann durch die solarbetriebene Entsalzungsanlage bewältigt, die die Größe einer Waschmaschine hat. Hier werden aus einem Liter Meerwasser 300 Milliliter Trinkwasser gewonnen. Die erste Ernte fuhr das Somaliland-Treibhaus im Januar 2018 ein: Tomaten, Salat und Gurken. Karotten, Zwiebeln und Bohnen folgten 2019.

Senegal: Hartgesottener Hartweizen

Rodomiro Ortiz (rechts) inspiziert ein Hartweizenfeld.

Auch auf der anderen Seite des Kontinents, im westafrikanischen Senegal und in Mauretanien, machen Hitze und Wasserknappheit den Anbau von Grundnahrungsmitteln problematisch. Obwohl die Menschen in der Region gerne Couscous und andere Grießprodukte konsumieren, wächst der dafür notwendige Hartweizen in dem harschen Klima nur schlecht. »Die gegenwärtige Weizenproduktion in dieser Region ist praktisch nicht existent. Der Senegal und Mauretanien müssen jährlich 200 000 Tonnen aus der nördlichen Hemisphäre importieren«, erläutert Rodomiro Ortiz, ein Experte für Genetik und Pflanzenzüchtung an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala. Dies kostet allein den Senegal jährlich 30 Millionen Euro.

Ortiz möchte helfen, diese Abhängigkeit zu beenden. Dazu erforscht er seit 2013 mit seinem Kollegen Filippo Bassi vom International Center for Agricultural Research in the Dry Areas (ICARDA) die Hitzebeständigkeit verschiedener Hartweizensorten. Das Problem: Im Gegensatz zu anderen Getreidepflanzen wie Mais oder Reis wachsen Weizenähren direkt der Sonne entgegen. Das trockene und heiße Klima Afrikas ist somit für viele Arten und Sorten praktisch das gesamte Jahr über zu extrem. Also machten sich Ortiz und Bassi daran, die genetischen Fingerabdrücke verschiedener Hartweizensorten zu untersuchen. Mit Hilfe molekularer Zuchtmethoden und ohne die Anwendung von gentechnischer Manipulation selektierten und kreuzten die beiden Forscher tausende Sorten.

Nach vier Jahren und dem Ausschluss über 2000 ungeeigneter Kultivare blieben drei neue Sorten übrig: Elwaha, Haby und Amina. »Diese Sorten können Temperaturen von 35 bis 40 Grad Celsius widerstehen, generieren einen substanziellen Ernteertrag von drei bis sechs Tonnen pro Hektar und benötigen maximal 92 Tage zwischen Säen und Ernte«, berichtet Ortiz. Die fruchtbarste Region der beiden Staaten ist das Tal des Senegal-Flusses, der gleichzeitig auch die Grenze zwischen dem Senegal und Mauretanien markiert. Hier wurde mit internationaler Hilfe ein effizientes Bewässerungssystem etabliert, mit dessen Hilfe Reis angebaut wird.

Hartweizen benötigt aber nur halb so viel Wasser wie Reis und enthält fünfmal mehr Protein. Reis wird dort über acht Monate im Jahr angebaut. In der Trockenzeit von November bis April sind die Nachttemperaturen für das Getreide jedoch zu niedrig. Da Weizen weniger kälteanfällig ist, könnten die neuen Hartweizensorten angebaut werden, wenn die Reissaison vorbei ist. »Deswegen war uns auch der kurze Erntezyklus als Eigenschaft der Sorten wichtig«, ergänzt Ortiz. Demnach müssten für das Hartweizenprojekt keine neuen Anbauflächen geschaffen werden, und es könnte eine ökologisch günstige Felderwirtschaft dank der Fruchtfolge zwischen Reis und Weizen erreicht werden.

Marokko: Die älteste Kühltruhe der Welt

Egal wie Nahrung angebaut wird, wer diese in der Hitze Afrikas frisch halten möchte, braucht dafür effiziente Kühlung. Gerade in Entwicklungsländern ist es dabei ein Problem, dass die dafür benötigte Elektrizität entweder nicht zuverlässig verfügbar oder zu teuer ist. Das gilt besonders für die energieaufwändige Kompressionskältemethode, die in handelsüblichen Kühlschränken zum Einsatz kommt.

So leben weltweit mehr als eine Milliarde Menschen ohne Zugang zu einem Kühlsystem. In Marokko begann die Firma Fenik, die aus einem Studentenprojekt am amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT) hervorging, daher vor drei Jahren ein Pilotprojekt, das eine jahrtausendealte Kühlmethode für das 21. Jahrhundert adaptieren soll. Die elektrizitätsfreie Kühltruhe Fenik Yuma 60L nutzt Verdunstungskühlung, wie zum Beispiel auch die Zeer-Töpfe aus Ton, die in der arabischen Welt zur Anwendung kommen.

»Die meisten Kulturen der Welt haben in ihrer Geschichte eine Variante eines solchen Behälters, in dem Kühlung durch Verdunstung erreicht wird«, erläutert Fenik-Mitgründer Quang Truong. Schon die alten Griechen der Antike kannten diesen Trick, entsprechende Tontöpfe wurden etwa auch in Ausgrabungen der bronzezeitlichen Indus-Zivilisation gefunden. Da die Verdunstung von Wasser Energie benötigt, kann diese in Form von Wärmeenergie der Umgebungsluft entnommen werden, was diese abkühlt.

Bei der traditionellen Methode wird dies erzwungen, indem ein kleinerer Tontopf in einen größeren eingesetzt wird. Der Zwischenraum wird mit Sand gefüllt. Dieser wird dann bewässert. Die Hitze außerhalb des äußeren Topfs verursacht die Verdunstung des Wassers im Sand, wofür von der Luft des inneren Topfes Wärmeenergie abgezogen wird. Die Luft im inneren Topf wird kühler, die dort aufbewahrten Lebensmittel bleiben frisch.

Bei Fenik Yuma werden die traditionellen Materialien durch moderne ersetzt. Dabei wird der Ton durch ein Textil namens PhaseTek ersetzt, eine Membrantechnologie, die vergleichbar ist mit atmungsaktiven Regenjacken. Als Lebensmittel für die Truhen eignen sich besonders Obst und Gemüse, die so drei- bis fünfmal länger genießbar bleiben. »Uns ging es darum, eine erschwingliche, modulare und vollständig mobile Kühleinheit zu erschaffen, die Nahrung auf ihrem Weg durch die Versorgungskette frisch hält«, ergänzt Truong. Da die Truhen eine trockene Außenhitze benötigen, funktionieren sie am besten bei einer Luftfeuchtigkeit von unter 60 Prozent. Der Firmenname Fenik geht auf den in Marokko lebenden Fennek-Fuchs zurück, der durch Blutgefäße in seinen übergroßen Ohren seine Körpertemperatur in der Wüstenhitze regulieren kann.

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