Direkt zum Inhalt

Lexikon der Astronomie: Protostern

Protosterne (wörtlich übersetzt Vorläufer eines Sterns) sind junge Sterne, die gerade im Begriff sind zu entstehen. Eine detaillierte Darstellung gibt es auch im Eintrag Sternentstehung.

Wir beginnen im Kühlschrank...

Objekte der Sternbildungsphase sind meistens eingebettet in eine dichte Wolke aus interstellarem Material, wie kalten Riesenmolekülwolken (engl. giant molecular clouds, GMCs) mit etwa 104 bis 106 Sonnenmassen oder Dunkelwolken. Dieses Material kollabiert durch gravitative Instabilitäten zu lokalen Verdichtungen (Überdichten), wenn genügend Materie vorhanden ist und die so genannte Jeans-Masse erreicht ist. Allerdings kann Rotation der GMC und Magnetfelder (MHD-Turbulenz) dem Gravitationskollaps entgegenwirken. Doch elektrisch neutralen Teilchen (in großer Zahl) kann es gelingen, durch so genannte ambipolare Diffusion trotzdem gravitativ zu kollabieren, weil sie nicht magnetisch gekoppelt sind wie geladene Teilchen. Die Zeitskalen dieses Prozesses sind jedoch sehr hoch.

...dann bröckelt es...

Fragmentation produziert ultradichte Subkerne der GMC von Massen typischerweise zwischen 1000 Sonnenmassen und einer Sonnenmasse bei ambipolarer Diffusion. Aus den kollabierten Massen können Sterncluster und Einzelsterne entstehen. Der dichte Staub schluckt sehr viel Strahlung – besonders im optischen Spektralbereich. Die Fachwelt nennt die Abschwächung der Helligkeit eines kosmischen Strahlers durch Staub Extinktion. Die Strahlung geht allerdings nicht verloren, sondern verliert Energie durch mehrmalige Streuprozesse an den winzigen, etwa einen Mikrometer durchmessenden Staubteilchen. Die Strahlung wird also gerötet – ein Effekt der durchaus mit der Rötung des Sonnenlichts bei Sonnenauf- und -untergang verglichen werden darf (da sind es allerdings die Gasteilchen und Aerosolpartikel der Erdatmosphäre, die die Rötung hervorrufen: Rayleigh-Jeans Streuung, Mie-Streuung).

...noch bleibt es verborgen...

HST-Bild des Adlernebels Die Extinktionen von Dunkelwolken sind besonders hoch. Die Dunkelwolken wie der Kohlensack oder der Pferdekopfnebel (Foto unter Extinktion) in der Milchstraße verschieben damit die Strahlung optischer Wellenlängen ins Infrarote und schwächen die scheinbare Helligkeit um einige 20 Magnituden! Die Protosterne, die typischerweise in Dunkelwolken eingebettet sind, sind deshalb naturgemäß im Optischen schwierig zu beobachten. Die Astronomen weichen aus diesem Grund auf Infrarotteleskope aus, wie das Very Large Telescope, die Keck-Teleskope (die beide noch im Nahinfrarot beobachten können) oder das weltraumgestützte Spitzer-Teleskop.

...und endlich zündet der Stern!

Sobald jedoch die thermonuklearen Kernfusionprozesse im Innern eines Protosterns ausreichender Masse zünden, bläst der kräftige Strahlungsdruck der Photonen und der Sternenwind aus verschiedenen Teilchenspezies die dichte Wolke nach und nach weg: Der junge Stern bahnt sich den Weg durch dichten Staub und erscheint schließlich auch optisch als hell leuchtender Stern. Diese Verhältnisse belegen eindrucksvolle, farbenprächtige Aufnahmen des Hubble Weltraumteleskops, wie das rechte optische Foto des Adlernebels (Credit: NASA/ESA/STScI/AURA 2005; große Version). Urteilen Sie selbst: Es gehört sicherlich zu den schönsten Bildern, die Astronomen jemals von der Natur gemacht haben. Man erkennt darauf Wolken aus kaltem Staub, atomaren und molekularen Wasserstoff, in die bizarre Strukturen durch die hydrodynamische Wechselwirkung unterschiedlicher Gase und vom UV-Licht junger Sterne geschliffen werden. Die Natur zeigt sich hier von ihrer kreativen Seite: Als Bildhauer einer etwa zehn Lichtjahre hohen, farbenprächtigen Skulptur, deren Haupt ein Lichtschein krönt. Der aufmerksame Betrachter entdeckt längliche Strukturen, die sich am Kopf in das interstellare Medium bohren. Vermutlich handelt es sich dabei um protostellare Jets. Der Adlernebel ist eine Sternentstehungsregion – eine von vielen Wiegen der Sterne in der Milchstraße. Viele andere Sterne verbergen sich noch in der Dunkelwolke.

Typen junger Sterne

Protosterne werden in der Astronomie auch etwas verallgemeinernd Junge stellare Objekte genannt (engl. Young Stellar Objects, YSOs). Dabei unterscheidet man folgende Typen:

  • Die Braunen Zwerge sind 'verhinderte Sterne', die eher riesigen Gasplaneten ähneln ('Jupiters'). Sie haben zuwenig Masse (kleiner als 0.08 Sonnenmassen), als dass sie das thermonukleare Feuer im Innern zünden könnten. Sie gewinnen ihre Strahlungsenergie eher aus der Kontraktion und strahlen im Infraroten und Radiobereich. Deshalb suchen die Astronomen sie mit Infrarotteleskopen. Das ist schwierig, weil die Braunen Zwerge einerseits sehr leuchtschwach und andererseits sehr klein sind.
  • Herbig-Haro-Objekte sind kompakte, helle Nebel in der Nähe von Dunkelwolken, die im Lichte des atomaren Wasserstoffs HI und einiger Molekülspezies (H2, CO, CS etc.) leuchten. Sie zeigen außerdem auffällige, knotige Strukturen. Dies wird mit Schockanregungen erklärt, und es sind gerade die protostellaren Jets der jungen Sterne, in denen Gas, das kurz zuvor auf einen entstehenden Stern akkretiert wurde, wieder gerichtet ausfließt. Dabei bilden sich im Jetplasma innere Schocks und der prominente Bugschock am Kopfende aus. Diese Jets sind atomar und molekular strahlungsgekühlt. Der Massenverlust ist verglichen mit den extragalaktischen Makro-Jets sehr gering: nur im Bereich von 10-7 Sonnenmassen pro Jahr. Die Ausflüsse sind beidseitig (bipolar) und senkrecht zur akkretierenden Staubscheibe. Je nach Orientierung zum Beobachter treten sie ein- oder zweiseitig auf. Im Zentrum zwischen den bipolaren Ausflüssen befindet sich ein junger Stern, meist vom T Tauri-Typus.
  • T Tauri-Sterne sind mit einem Alter von nur 105 bis 107 Jahren sehr junge Sterne, die sich im weiteren Verlauf zu 'normalen Sternen' auf der Hauptreihe des Hertzsprung-Russell-Diagramms entwickeln. Sie bewegen sich noch senkrecht zur Hauptreihe, d.h. variieren in der Leuchtkraft bzw. Helligkeit, was durch den Akkretionsprozess verursacht wird. Durch Akkretion können sie einen protostellaren Jet speisen, so dass die Umgebung des T Tauri-Sterns als Herbig-Haro-Objekt (s.o.) in Erscheinung tritt. T Tauri-Sterne beginnen gerade durch hohe Sternwindaktivität Gas und Staub ihrer unmittelbaren Umgebung 'wegzublasen'.
  • rho Ophiuchi-Sterne sind nach dem Prototyp in einer anderen prominenten Sternentstehungsregion benannt, dem Ophiuchus-Nebel IC 4604 im Sternbild Ophiuchus (dt. Schlangenträger, dem bekannten Äskulap der Medizin). In dieser riesigen Dunkelwolke sind wie im Adlernebel auch viele junge Sterne eingebettet, die von der Erde nur etwa 500 Lj entfernt sind. Damit ist rho Ophiuchi die uns nächste Sternentstehungsregion.
  • FU Orionis-Sterne sind eine Unterklasse der T Tauri-Sterne, die mit dem 100 bis 1000fachen typischer Massenverlustraten viel größere Verlustraten durch Sternenwinde aufweisen. Die Akkretionsrate scheint entsprechend größer zu sein.
    Die akkretierenden Staubscheiben der Protosterne sind die Vorläufer der planetaren Scheiben, aus denen also Planeten fragmentieren können. Man nennt sie daher auch protoplanetare Scheiben (engl. protoplanetary disks, kurz Proplyds).
  • ZAMS-Sterne sind Sterne die gerade die Hauptreihe im Hertzsprung-Russell-Diagramm erreichen. Das Akronym ZAMS steht für Zero-Age Main Sequence Stars, also Alter-Null-Hauptreihensterne, die nur ein Alter von etwa 10 bis 100 Millionen Jahre haben. Unsere Sonne war im Alter von 40 Millionen Jahren ein ZAMS. Der Strahlungsfluss hat sich – verglichen mit dem der T Tauri-Veränderlichen – stabilisiert und hat nur noch eine moderate Variabilität. Zeitlich schließen sich die ZAMS an entwickelte T Tauri-Sterne an und haben ein vollständig ausgebildetes Planetensystem, wie wir es vom Sonnensystem her kennen. Die Staubscheibe ist nahezu verschwunden, als Relikt bleibt wenig interplanetares Gas übrig. Im Sonnensystem macht sich dieser Gasrest als Zodiakallicht bemerkbar macht. Typische ZAMS findet man gleich als Sternhaufen in den Plejaden (M45).

YSO-Klassen

Bei den Protosternen bzw. YSOs unterscheiden die Astronomen in chronologischer Entwicklung eines Sterns folgende Klassen:

  • Klasse 0 YSOs sind die frühsten Formen. Da dieser Zustand kurzlebig (Maximalalter 100 000 Jahre) ist, entdeckt man sie auch sehr selten. Die Beobachtbarkeit ist nur unterhalb 10 Mikrometer möglich, was thermischen Spektren eines etwa 30 Kelvin kalten Gases entspricht. Auch hier kann man schon die Propagation von Ausflüssen und Schocks beobachten. Eine mögliche Quelle ist: IRAS 03282+3035
  • Klasse 1 YSOs sind schon einige 100 000 Jahre alt und können bereits bei Mittelinfrarot (MIR) und Ferninfrarot (FIR) beobachtet werden. Sie zeigen manchmal Variabilitäten wie FU Orionis-Sterne. Erstaunlicherweise sieht man nicht nur Emission im langwelligen Bereich, sondern auch in der Röntgenstrahlung! So konnte mit dem Röntgensatelliten Chandra im Objekt HH2 Röntgenstrahlung detektiert werden, die wohl eine Signatur für sehr heißes Gas (106 Kelvin) ist. Es ist also thermische Röntgenstrahlung. Das heiße Gas entsteht, wenn der schnelle, protostellare Jet auf langsameres Material trifft.
    In den Proplyds beobachtet man Jupiter-artige Kerne und kleinere Planetesimale. Klasse 1 – Quellen sind besonders zahlreich in der Serpens-Wolke (Sternbild Schlange). Eine Klasse 1 – Quelle ist: HH 30.
  • Klasse 2 YSOs sind die klassischen T Tauri-Sterne. Sie zeigen prominente Wasserstoff- und Kalziumlinien und sind optisch variabel. Die 'Proto-Jupiters' sammeln das Wasserstoff- und Heliumgas des Proplyds auf, um einen Gasplaneten zu bilden. Auch erdähnliche Planeten können entstehen.
  • Klasse 3 YSOs sind ebenfalls T Tauri-Sterne, allerdings mit schwach ausgeprägten Emissionslinien (Fachbegriff: weak-lined T Tauri stars). Durch die nachhaltige Aktivität des Sternenwinds und weiterlaufende Planetenbildung ist die Staubscheibe stark ausgedünnt und kaum nachweisbar. Die großen Gasplaneten sind fertig, während erdähnliche Planeten weiterhin akkretieren.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.