Direkt zum Inhalt

Lebensmittelallergien: Mit Vorsicht genießen

Laktose, Nüsse, Glutamat: Viele denken, dass sie bestimmte Lebensmittel nicht vertragen oder sogar allergisch dagegen sind. Eine echte Lebensmittelallergie haben aber nur wenige.
Auf einem Tisch stehen viele Lebensmittel zur Auswahl
Während manche Menschen bei der Auswahl ihres Essens einfach nur wählerisch sind, weil sie nicht alles mögen, kann die falsche Zutat in einer Speise für Allergiker schlimme Konsequenzen haben: Es drohen Atem- und Kreislaufbeschwerden, Schwellungen der Schleimhäute oder sogar Herzversagen.

Eine Party ist geplant. Die Vorfreude ist groß. Der Stress allerdings auch, wenn es an die Planung des Büfetts geht. Denn leider können manche Gäste nicht alles essen, einige auch fast nichts.

Damit befinden sie sich in guter Gesellschaft: Laut einer repräsentativen Studie geben 30 Prozent der Frauen und 20 Prozent der Männer in Deutschland an, an einer durch Nahrungsmittel hervorgerufenen Allergie oder Unverträglichkeit zu leiden. Zumindest sind sie davon überzeugt, darunter zu leiden.

Themenwoche: »Allergien – Wenn der Körper überreagiert«

Die Nase läuft, die Haut juckt und im schlimmsten Fall droht der Schock: In Deutschland leiden mittlerweile rund 30 Prozent der Menschen zumindest zeitweise unter Allergien. Sie müssen die Natur meiden, wenn die Pollen fliegen, oder aufpassen, welche Nahrungsmittel sie zu sich nehmen. Doch warum reagieren manche Menschen überhaupt allergisch auf Nüsse, Federn oder Pollen? Und welche Möglichkeiten gibt es, die lästigen Symptome zu lindern oder gar loszuwerden? Unsere Themenwoche über die Volkskrankheit Allergie.

  1. Allergien: Warum eigentlich harmlose Stoffe bedrohlich werden
  2. Allergie: Wenn die Pollen stärker fliegen
  3. Heuschnupfen: Praktische Tipps für Pollengeplagte
  4. Lebensmittelallergien: Mit Vorsicht genießen
  5. Haustierallergien: Wann Hund und Katze zum Risiko werden
  6. Haustier trotz Allergie: Kann eine Hyposensibilisierung helfen?

Doch zunächst zurück zur Party: Freundin N. beispielsweise verträgt seit ihrer Kindheit keine Hülsenfrüchte und hat außerdem eine Nussallergie. Also muss sie einen großen Bogen um den Kichererbseneintopf machen und bei vielen Speisen auf dem Büfett nachfragen, ob dort vielleicht Spuren von Nüssen enthalten sein könnten. Die Dessertabteilung des Büfetts braucht ebenfalls eine größere Variationsbreite: Arbeitskollege M. leidet nämlich unter einer Fruktosemalabsorption – also wird es nicht nur Obstsalat geben, sondern alternativ auch eine Quarkspeise. Die wiederum verträgt Freundin S. nicht so gut, die unter Laktoseintoleranz leidet und laut eigener Aussage auf jegliche Milchspeise mit höllischen Blähungen und Bauchkneifen reagiert. Ganz schwierig wird es bei L.: Sie verträgt kein Glutamat. Alle Lebensmittel, die Geschmacksverstärker enthalten, sind tabu. Sie muss auch darauf achten, ob bei einer Suppe die verwendete Brühe hefefrei ist, da auch Hefeextrakt ein Geschmacksverstärker ist. Für sie wird jeder Restaurantbesuch zum Vabanquespiel: Finde ich etwas auf der Speisekarte, was ohne die häufig verwendeten Zusätze von E 620 bis 625 auskommt, oder nicht? Hinter diesen Kürzeln verbergen sich die für Intolerante schwierige L-Glutaminsäure und deren Salze, kurz Glutamat. Zum Glück sind Restaurants verpflichtet, die enthaltenen Zusatzstoffe zu deklarieren.

Dass bei der fiktiven Partyplanung mehr Beispiele mit Frauen genannt werden, ist kein Zufall. Denn mehr Frauen als Männer geben an, an einer Unverträglichkeit zu leiden. Das verwundert laut der Einschätzung der pronova BKK nicht: Frauen achten stärker als Männer auf ihre Gesundheit und Ernährung, reflektieren häufiger über ihre Befindlichkeit, wenn es im Hals kratzt und brennt oder im Gedärm zwickt. Sie holen sich medizinischen Rat, lassen Lebensmittel lieber weg und kommunizieren das auch an Freunde und Bekannte.

Unverträglichkeit ist keine Allergie

Wenn medizinische Laien von Unverträglichkeiten sprechen, deckt das ein sehr weites Feld ab. Er reicht von teils lebensbedrohlichen Allergien mit Atemnot und Herzstillstand über Pseudoallergien bis hin zu Malabsorption beziehungsweise Intoleranzen. Die Ursachen sind jeweils grundverschieden, mögliche Therapien auch. Deshalb hier erst einmal die groben Unterschiede: Bei einer Nahrungsmittelallergie ist immer das Immunsystem beteiligt. Dieses ist eine Art Gesundheitspolizei. Es bildet einen wirksamen Abwehrmechanismus gegen viele Krankheitserreger, indem es schädliche Stoffe erkennt und wirksam bekämpft. Dabei kann es leider auch fehlgeleitet überreagieren, wenn es harmlose Stoffe aus Nahrungsmitteln als schädlich einstuft. Die Folge: Das Immunsystem reagiert auf diese Allergene mit der Bildung so genannter Immunglobulin-E-Antikörper (IgE). Allergieauslöser sind natürliche Inhaltsstoffe von Lebensmitteln, hauptsächlich Proteine (Eiweiße) und Glykoproteine (an Kohlenhydrate gebundene Proteine). Dieser Prozess ist der Trigger für allergietypische Symptome wie Schwellung der Schleimhäute mit Kribbeln, Husten, Halskratzen, Niesen, verstopfter Nase bis hin zu Asthma, Atemnot und Kreislaufbeschwerden.

Theoretisch kann jedes Nahrungsmittel eine Allergie auslösen. Bei Lebensmittelallergien sind aber tatsächlich nur wenige bedeutsam. So lassen sich rund 90 Prozent der Allergien auf sieben Allergene zurückführen: Kuhmilch, Baumnüsse (Haselnuss, Walnuss), Sojabohne, Hühnerei, Erdnuss, Fisch und Meeresfrüchte sowie Weizen. Von Lebensmittelallergien allgemein sind nur etwa 4 Prozent der Weltbevölkerung betroffen, in Deutschland sind es laut Angaben des Robert Koch-Instituts 4,7 Prozent.

Anders hingegen bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit, auch Malabsorption oder Intoleranz genannt. Bei Fruktosemalabsorption oder Laktoseintoleranz reagiert der Körper auf bestimmte Inhaltsstoffe der Nahrung, die im Darm nicht so weiterverarbeitet werden, wie es für uns bekömmlich wäre. Das Immunsystem ist dabei aber nicht beteiligt. Eine Pseudoallergie wiederum ist nicht etwa eine eingebildete Allergie, sondern eine Unverträglichkeit, die teils mit Symptomen einer Allergie daherkommt, jedoch ebenso wenig durch Immunabwehr entsteht.

Die Glutenunverträglichkeit, auch Zöliakie genannt, ist hingegen eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem auf Gluten, ein in Weizen, Gerste und Roggen vorkommendes Protein, überreagiert. Nehmen Betroffene Gluten zu sich, greift ihr Immunsystem Gewebe im Dünndarm an. Dies hat zur Folge, dass weniger Nährstoffe ins Blut gelangen können. Nur bei einer konsequent glutenfreien Ernährung können diese Personen relativ beschwerdefrei leben. Damit hat die Zöliakie Ähnlichkeit mit einer Nahrungsmittelallergie.

Es leiden deutlich mehr Menschen an Unverträglichkeiten als an Allergien: So kämpfen laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zwischen 15 und 20 Prozent der Deutschen mit einer Laktoseintoleranz. Sie vertragen den in Milchprodukten enthaltenen Milchzucker, die Laktose, nicht. Die Laktoseintoleranz führt die Liste der am häufigsten vorkommenden Unverträglichkeiten mit deutlichen Symptomen an. Eine Unverträglichkeit kann bei Milchprodukten übrigens auch gegen das Kasein, das Milcheiweiß, auftreten.

Laut Allergieinformationsdienst des Helmholtz Zentrums München sind zwar in Europa deutlich mehr Erwachsene, etwa jeder dritte, von Fruktosemalabsorption betroffen, doch bei vielen von ihnen treten nur sehr milde oder keine Symptome auf. Zusätzlich kann es zusammen mit Fruktosemalabsorption auch zu einer Unverträglichkeit gegenüber Sorbit, einem Zuckeralkohol, kommen, der etwa in Äpfeln oder Kirschen enthalten ist.

Während Allergien allerdings oft schnelle und recht eindeutige Symptome provozieren und dann via Prick-Test auf der Haut, Allergennachweis durch Bluttest oder durch kleine Gaben des allergenen Nahrungsmittels feststellbar sind, äußern sich die Unverträglichkeiten häufig diffuser und es kann deutlich länger dauern, ehe sich die Intoleranz bemerkbar macht. Zudem wird eine kurzzeitig sensible Reaktion zuweilen gleich als Unverträglichkeit eingestuft, ist es aber nicht. Eine Laktoseintoleranz kann mittels eines Atemtests nachgewiesen werden: Gemessen wird der Wasserstoffgehalt des Atems vor und nach Verabreichung von Laktose. Der Grund: Man kann in der Atemluft immer dann Wasserstoff nachweisen, wenn Laktose verzehrt, im Dünndarm jedoch nicht ausreichend verdaut wurde. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert der Test auch für den Nachweis bei Fruktosemalabsorption.

Ursachen von Allergien und Intoleranzen

Was passiert also genau bei Unverträglichkeiten? Um den Milchzucker, die Laktose, aufspalten zu können, braucht man das Enzym Laktase, das in der Schleimhaut des Dünndarms vorkommt. Für Fruktose (Fruchtzucker) in süßem Obst wiederum braucht der Körper die Transportstoffe GLUT5 und GLUT2. Es ist noch nicht sicher wissenschaftlich nachgewiesen, aber vermutet wird im Fall der Fruktose, dass diese normalerweise durch das Protein GLUT5 aus dem Dünndarm aufgenommen und in das Innere der Dünndarmzellen transportiert wird. Auf der anderen Seite der Dünndarmwand wird die Fruktose dann durch den GLUT2-Transporter aus den Dünndarmzellen in die Blutbahn freigesetzt.

Bei Menschen mit Laktose- oder Fruktoseintoleranz sind diese Prozesse gestört, die Zucker können nicht vollständig gespalten werden und wandern in tiefere Darmabschnitte. Im Dickdarm machen sich Darmbakterien über die unverarbeiteten Reste her und vergären sie. Dabei entstehen Gase, die teils heftige Blähungen hervorrufen. Gleichzeitig bildet sich ein so genannter osmotischer Gradient, das heißt: Die Nahrungsbestandteile ziehen Wasser aus den Blutinnengefäßen in den Darm, der Kot wird flüssig, es kommt zu Durchfall.

»Deshalb ist die Zahl der Laktoseintoleranten in Südeuropa höher als etwa in Skandinavien oder in Mitteleuropa«Maximilian Ledochowski, Ernährungsmediziner

Und damit wären wir schon bei den Ursachen für Intoleranzen. Der Ernährungsmediziner Maximilian Ledochowski, der auch einige Bücher zu dem Thema Nahrungsmittelunverträglichkeiten veröffentlicht hat, weist auf einen interessanten Punkt hin – nämlich, dass Laktoseintoleranz beim Menschen, allgemein bei Säugetieren, eigentlich der Normalfall ist: »Die Evolution hat gar nicht vorgesehen, dass wir Menschen nach dem Ende unserer Stillzeit noch Milchtrinker sind. Das gilt für alle Säugetiere, sobald sie abgestillt sind. Denn wenn das Muttertier schnell nach dem ersten Jungtier ein zweites bekommt, muss gesichert sein, dass das erste dem zweiten nicht die Milch wegtrinkt.«

Die Milch macht's | Zwischen 15 und 20 Prozent der Deutschen geben an, eine Laktoseintoleranz zu haben. Sie reagieren empfindlich auf den in Milchprodukten enthaltenen Milchzucker, die Laktose.

Doch warum sind dann viele Menschen, etwa in Asien, laktoseintolerant, andere dagegen nicht? »In bestimmten Regionen der Erde, etwa in Nordeuropa, in Tibet, der Mongolei oder in Kenia, etwa bei den Massai, waren die Menschen darauf angewiesen, sich von dem zu ernähren, was von ihren Tieren kommt, also auch von Kuh- oder Ziegenmilch. So konnten sie in eher unfruchtbaren Gegenden überleben«, erläutert Maximilian Ledochowski. Auf Europa bezogen bedeutet das: Wie eine in »Nature« im Jahr 2022 erschienene große Studie zu dem Thema zeigt, sicherte vor Tausenden von Jahren eine gute Verdauung der Laktose im kühleren, vom Nahrungsangebot her eher kargen Norden das Überleben, im Süden gab es dagegen ein reichliches alternatives Angebot an Früchten und Gemüse. Milch stand dort nicht auf dem regulären Speisezettel. »Deshalb ist die Zahl der Laktoseintoleranten in Südeuropa höher als etwa in Skandinavien oder in Mitteleuropa«, erklärt der Mediziner.

Und selbst wenn sich Ernährungsgewohnheiten ändern, etwa wie die immer stärker werdende Nachfrage nach westlichen Milchprodukten und Milchpulver in China, würde es Jahrtausende dauern, ehe sich das Verdauungssystem angepasst hätte, sagt Maximilian Ledochowski.

Laktoseintoleranz kann also genetisch bedingt sein. Dass trotzdem Südeuropäer wie Griechen und Türken ihren berühmten Jogurt ganz gut verdauen können, liegt an dessen hohem Fettgehalt: weil fetthaltige Nahrung die Verdauung im Magen verlangsamt. Dadurch gelangt weniger Laktose auf einmal in den Darm, der dann weniger empfindlich reagiert.

Kuba und die Unverträglichkeit gegenüber Fruchtzucker

Bei Fruktosemalabsorption wiederum handle es sich mehr oder weniger um eine menschengemachte Unverträglichkeit. Sie hängt etwa damit zusammen, dass die heute im Supermarkt erhältlichen Lebensmittel in vielen Fällen stark verarbeitet sind, also mit diversen Zusatzstoffen wie dem erwähnten Glutamat oder eben Fruchtzucker versetzt sind. »Wir haben noch vor 60, 70 Jahren deutlich weniger Fruchtzucker zu uns genommen als heute. Im Schnitt fünf Gramm.« Das entspricht etwa einem Apfel. Damit kam unser Verdauungssystem gut klar. Doch dann kam die Kuba-Krise Anfang der 1960er Jahre und mit ihr eine Rohrzuckerknappheit, weil der Nachschub des Großexporteurs Kuba in die USA ausblieb. Deshalb wurde in den USA ein Alternativprodukt mit Fruchtzucker entwickelt. Fruktose wurde dafür aus Mais gewonnen, das war billiger in der Herstellung und versprach eine höhere Süßungskraft.

Dies führte zu einem regelrechten Dammbruch: Fortan wurde Fruktose weltweit sehr vielen verarbeiteten Lebensmitteln beigemischt. Und das ist bis heute so. Die Fruktosemenge, die wir täglich zu uns nehmen, hat sich auf diese Weise etwa verzehnfacht.

Besonders beliebt war und ist Fruktose unter anderem zum Süßen von Kindersäften und -tees. »Aber es dauerte Jahrzehnte, bis klar war, dass es einen Zusammenhang zwischen zu viel Fruchtzucker und Blähungen und Durchfall gibt und dass viele Menschen sich und vor allem ihren Kindern damit eine Fruktosemalabsorption eingehandelt hatten«, fügt der Mediziner hinzu, der den Zusammenhang zwischen Fruktosemalabsorption und Reizdarm erforscht hat. Er findet, dass künftigen Lebensmitteltechnologen, die später an immer neuen Lebensmittelvariationen basteln werden, im Studium die Zusammenhänge und vor allem die Langzeitfolgen des Konsums von verarbeiteten Lebensmitteln nur unzureichend vermittelt werden.

»Eine Folge ist, dass sich die Fälle von Erdnussallergien in den vergangenen Jahren verzehnfacht haben«Nadine Berling, Ernährungswissenschaftlerin

Lebensmittelallergien vermeiden

Was ein Konsumübermaß anrichten kann, wird in den USA am Beispiel der Erdnussbutter deutlich, mit der Generationen von Amerikanerinnen und Amerikanern aufgewachsen sind und die sie über Jahre in teils großen Mengen verzehren. »Eine Folge ist, dass sich die Fälle von Erdnussallergien in den vergangenen Jahren verzehnfacht haben«, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Nadine Berling, die Professorin an der privaten Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft in Bremen ist und als Ernährungstherapeutin auch immer wieder Kinder in der Beratung hat.

Im Kindesalter ganz auf bestimmte Lebensmittel wie beispielsweise Erdnüsse zu verzichten, scheint allerdings ebenfalls nicht der richtige Weg zu sein. In Großbritannien gab es lange Zeit die Empfehlung, Kleinkindern keine Erdnüsse zu geben. In Israel hingegen ist es üblich, schon die Kleinsten mit erdnusshaltigen Lebensmitteln zu füttern. Im Vergleich der beiden Länder wird deutlich: In Israel haben weniger Kinder eine Erdnussallergie. Eine Studie an mehr als 640 Säuglingen im Alter von vier bis elf Monaten zeigt zudem, dass die frühzeitige Einführung von Erdnüssen in den Speiseplan das Risiko, bis zum fünften Lebensjahr eine Erdnussallergie zu entwickeln, um 70 bis 86 Prozent verringerte – je nachdem, ob die Säuglinge bereits zu Studienbeginn eine Hautempfindlichkeit gegenüber Erdnüssen aufwiesen. Womöglich ist bei Lebensmittelallergien also das Maß des Konsums entscheidend.

Wählerische Esser | Kinder essen vieles nicht. Dennoch sollte man versuchen, ihnen immer wieder verschiedene Lebensmittel anzubieten. Dies kann auch Allergien oder Unverträglichkeiten vorbeugen.

Nahrungsmittelallergien können zudem genetisch mitbedingt sein – und vererbt werden. Laut der österreichischen Interessengemeinschaft Allergenvermeidung (IGAV) liegt das Risiko für das Kind bei rund 30 Prozent, ebenfalls Allergien zu entwickeln, wenn ein Elternteil Allergiker ist. Sind Vater und Mutter Allergiker, steigt diese Wahrscheinlichkeit auf über 60 Prozent. Ein weiterer Auslöser können Umwelteinflüsse wie etwa Luftverschmutzung sein oder andere Faktoren wie Krankheiten, die das Immunsystem beeinträchtigen. »Es mag wie ein Klischee klingen, doch tatsächlich haben Kinder, die auf dem Land und in gesunder Luft aufwachsen, ein geringeres Risiko, Allergien zu entwickeln«, sagt Nadine Berling. »Wenn sie beim Spielen draußen mit Schmutz und Keimen in Berührung kommen, trainiert das ihr Immunsystem.« Denn: Babys und Kleinkinder sind wegen ihres empfindlicheren Immunsystems häufiger betroffen als Erwachsene, ihre Allergien richten sich meistens gegen tierische Eiweiße, die nicht der Muttermilch entstammen, aber auch gegen Nüsse oder Soja.

Laut Angaben der Medizinischen Universität Wien leiden weltweit etwa bis zu 3 Prozent der Kinder an einer Erdnussallergie, bei Erwachsenen sind es hingegen nur bis zu 0,8 Prozent. Und während unter Letzteren 2,5 Prozent an einer Hühnerei-Allergie leiden, zählt diese bei Kindern zu den häufigsten. Die US-Forscherin Gayla Bigmann hat in einer Untersuchung von 2020 festgestellt, dass Kinder, die gestillt werden, seltener an Bauchweh, Durchfällen und Allergien leiden. Muttermilch enthält nämlich bestimmte Immunfaktoren, die den Aufbau des kindlichen Immunsystems und die Ausreifung der Darmschleimhaut unterstützen.

Tipps für Betroffene

Nahrungsmittelallergien, die man sich erst im Erwachsenenalter einhandelt, richten sich meistens gegen Obst- und Gemüsesorten. Es sind so genannte Kreuzallergien, die mit einer Pollenallergie einhergehen. Laut dem Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) entwickeln rund 60 Prozent der Heuschnupfengeplagten beispielsweise eine Allergie gegen Äpfel, Karotten oder Steinobstsorten wie Kirschen. Sie leiden also doppelt.

Wer als Erwachsener unter Kreuzallergien leidet und seinen Heuschnupfen durch eine so genannte Hyposensibilisierung, also die kontinuierliche Verabreichung kleinster Allergenmengen über einen Zeitraum von mehreren Jahren, therapieren lässt, kann Glück haben und nach erfolgreicher Therapie vielleicht wieder sorglos in einen Apfel beißen. Andere Allergien, wie etwa eine Nussallergie, behält man meistens ein Leben lang.

Neben der Einnahme von gegen die Allergene wirksamen Antihistaminika-Medikamenten ist schlicht Vermeidung das Mittel der Wahl. Bei Obst kann es zudem helfen, es nur gekocht oder gebacken zu essen, etwa als Kompott oder in Kuchen, weil die enthaltenen Allergene ihre Wirkung verlieren, wenn man sie erhitzt.

Der DAAB rät beispielsweise, Äpfel rund eine Minute bei 600 Watt in die Mikrowelle zu legen. Dadurch würden sie zwar nicht gegart, doch die Allergenität sei deutlich verringert. Es hilft auch, wenn man zu alten Sorten wie Boskop, Jonathan und Gravensteiner greift, die weniger Allergene und viel Polyphenol enthalten, wie eine Studie der Berliner Charité ergab. Polyphenol macht Äpfel saurer – je saurer, desto besser – und gilt unter anderem als Fänger von freien Radikalen. Gemeinsam mit der Hochschule Osnabrück und der Technischen Universität München arbeiten Charité-Forschende zudem derzeit an der Züchtung der europaweit ersten offiziellen allergikerfreundlichen Apfelsorten.

Bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten – Beispiel Laktose oder Fruktose – wiederum bleibt oft nur eine längerfristige Ernährungsumstellung, weil meistens eine breite Palette von Nahrungsmitteln betroffen ist. Nadine Berling hat schon viele Menschen mit Allergien und Unverträglichkeiten betreut und beschreibt das mögliche Vorgehen: »Nach einer zwei- bis dreiwöchigen Karenzphase mit Fruchtzuckerverzicht, die unter Anleitung einer qualifizierten Ernährungsfachkraft stattfinden soll, kann man vorsichtig und in kleinen Mengen wieder beginnen, die Nahrungsmittel zu essen, auf die der Körper mit Unverträglichkeit reagiert. So kann man herausfinden, wie viel toleriert wird, ohne dass es zu den für Unverträglichkeiten typischen Symptomen kommt.«

Milchprodukte oder fruktosehaltige Lebensmittel sollte man nicht komplett aus der Ernährung streichen

Wichtig sei, dass die Betroffenen als Erstes beschwerdefrei werden, damit der Magen-Darm-Trakt sich beruhigen kann. Im Fall der Fruktosemalabsorption sei es ratsam, auf fruktosearmes Obst wie Banane oder Beerenfrüchte umzusteigen. Und dann auszuprobieren, ob Obst mit hohem Fruktosegehalt wie Kern- oder Steinobst in kleinen Mengen wieder vertragen wird.

Für Laktose- wie Fruktoseunverträglichkeit gilt allerdings gleichermaßen: Milchprodukte oder fruktosehaltige Lebensmittel sollte man nicht komplett aus der Ernährung streichen. »Weil es sonst passieren kann, dass die Enzyme beziehungsweise die Transportmechanismen im Darm regelrecht ›einschlafen‹«, erläutert die Ernährungswissenschaftlerin. Die Wahrscheinlichkeit ist in diesem Fall hoch, dass der Darm seine Restaktivität zur Verdauung von Laktose oder Fruktose einstellt.

Wer auf den heiß geliebten Latte macchiato nicht verzichten mag, kann natürlich auf Laktase-Tabletten zurückgreifen. Doch die muss man, je nachdem, wie stark die Unverträglichkeit ausgeprägt ist, in hoher Dosis nehmen. Und das wird auf Dauer teuer.

Oder hört das Theater im Alter irgendwann auf? Von Allergien weiß man, dass hormonelle Veränderungen wie Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause sie tatsächlich verstärken, aber auch abschwächen oder zum Verschwinden bringen können. Deshalb sind Kinder im Schulalter häufig wieder allergiefrei. Fest steht allerdings: Egal wie alt man ist, vor Allergien ist man nicht gefeit!

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.