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Lexikon der Mathematik: Polstelle

Pol, eine isolierte Singularität z0 ∈ ℂ einer in einer punktierten Kreisscheibe \begin{eqnarray}{\dot{B}}_{r}\,({z}_{0})=\{z\,\in \,{\rm{{\mathbb{C}}}}\,:\,0\,\lt \,|z-{z}_{0}|\,\lt \,r\},\,\, r\,\gt \,0\end{eqnarray} holomorphen Funktion f derart, daß | f (z)| → ∞ für zz0.

Es gibt verschiedene äquivalente Definitionen einer Polstelle, die im folgenden dargestellt werden.

Ist z0 eine Polstelle von f, so existiert eine kleinste natürliche Zahl m und ein s ∈ (0, r] derart, daß die Funktion g(z) := (zz0)mf(z) in \({\dot{B}}_{s}({z}_{0})\) beschränkt ist. Diese Zahl m heißt die Ordnung der Polstelle z0 von f.

Ist G ⊂ ℂ ein Gebiet, z0G und f eine in G\{z0} holomorphe Funktion, so sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. Es ist z0 eine Polstelle der Ordnung m von f.
  2. Es existiert eine in G holomorphe Funktion g mit g(z0) ≠ 0 und \begin{eqnarray}f\,(z)=\frac{g(z)}{{(z-{z}_{0})}^{m}},\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,z\,\in \,G\,\backslash \,\{{z}_{0}\}.\end{eqnarray}
  3. Es existiert eine offene Umgebung UG von z0 und eine in U holomorphe und in U \{z0} nullstellenfreie Funktion h derart, daß z0 eine Nullstelle der Nullstellenordnung m von h ist und \begin{eqnarray}f\,(z)=\frac{1}{h(z)},\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,z\,\in \,U\,\backslash \,\{{z}_{0}\}.\,\,\end{eqnarray}
  4. Es existiert eine offene Umgebung UG von z0 und positive Konstanten M1, M2 derart, daß für zU \{z0} gilt: \begin{eqnarray}\frac{{M}_{1}}{{|z-{z}_{0}|}^{m}}\,\le \,|f\,(z)|\,\le \,\frac{{M}_{2}}{{|z-{z}_{0}|}^{m}}.\end{eqnarray}
  5. Für die Laurent-Entwicklung von f mit Entwicklungspunkt z0 gilt \begin{eqnarray}f\,(z)=\displaystyle \sum _{n=-m}^{\infty }{a}_{n}{(z-{z}_{0})}^{n},\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,z\in \,{\dot{B}}_{r}({z}_{0}),\end{eqnarray} wobei am ≠ 0 und Br(z0) ⊂ G.
Hat f an z0 eine Polstelle der Ordnung m, so folgt aus (e), daß f ′ an z0 eine Polstelle der Ordnung m + 1 hat. Außerdem kommt in der Laurent-Entwicklung von f ′ kein Term der Form \(\frac{a}{z-{z}_{0}}\) vor.

Umgekehrt gilt: Ist f holomorph in G \{z0} und hat f ′ an z0 eine Polstelle der Ordnung k, so ist k ≥ 2, und f hat an z0 eine Polstelle der Ordnung k − 1.

Es seien f und g holomorphe Funktionen in G \{z0}. Weiter sei z0 eine Polstelle von f der Ordnung m und z0 eine Polstelle von g der Ordnung k. Dann ist z0 eine Polstelle von f · g der Ordnung m+k. Ist mk, so ist z0 eine Polstelle von f +g der Ordnung max {m, k}. Im Fall m = k kann es vorkommen, daß z0 eine hebbare Singularität von f + g ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Hauptteile der Laurent-Entwicklungen von f und −g übereinstimmen. Hat jedoch f +g eine Polstelle an z0, so ist die Ordnung höchstens max {m, k}. Die genaue Ordnung erhält man aus den Laurent-Entwicklungen von f und g.

Im Sinne der algebraischen Geometrie kann man noch folgende Definition einer Polstelle geben:

Es sei X ein normales Noethersches Schema oder ein normaler komplexer Raum. Eine rationale bzw. meromorphe Funktion f ist dann eine Funktion auf einer offenen dichten Teilmenge X0X (d. h. ein Schnitt von 𝒪X(X0)), so daß für alle xX eine Umgebung U von x existiert, und es Funktionen g, h ∈ 𝒪X(U) gibt mit h ≠ 0 auf UX0, so daß \(f=\frac{g}{h}\).

Dann ist 𝒥 = {h ∈ 𝒪 | fh ∈ 𝒪} eine kohärente Garbe von Idealen, und die Nullstellenmenge von J ist ein Divisor D, genannt der Poldivisor der Funktion f; ihre Elemente sind die Polstellen.

Wenn X glatt ist, so ist D ein Cartierdivisor, und f ist ein Schnitt des Geradenbündels 𝒪X(D).

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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