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Persönlichkeitsentwicklung: Eltern sind nicht reifer als andere Erwachsene

Mit einem Baby ist das Leben plötzlich anders. Vater oder Mutter zu sein, verändert. Es macht einen aber nicht unbedingt zu einem gewissenhafteren Menschen.
Ein Baby stellt das ganze Leben auf den Kopf

Eine Familie zu gründen bedeutet, viel Verantwortung zu übernehmen. Aber werden Menschen tatsächlich vernünftiger, sobald Nachwuchs da ist? Und gibt es dabei einen Unterschied zwischen Männern und Frauen? Diese Fragen wollten die Psychologinnen Eva Asselmann und Jule Specht klären. Ihr Ergebnis: Die Persönlichkeit verändert sich, wenn Menschen Eltern werden, aber anders als gedacht, wie die Forscherinnen im »European Journal of Personality« schreiben.

Das Team hat Daten von 19 875 Erwachsenen aus dem Sozio-oekonomischen Panel genutzt, einer repräsentativen bundesweiten Langzeitstudie. Etwa 48 Prozent waren Frauen, 52 Prozent Männer. 6891 der Befragten waren in den Jahren zwischen 2005 und 2017 zum ersten Mal Eltern geworden. Während dieser Zeit hatten sie insgesamt viermal einen Persönlichkeitstest absolviert, der die so genannten »Big Five« abfragt: Offenheit, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und emotionale Stabilität. Letztere drei werteten die Autorinnen als Merkmale persönlicher Reife. Bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigten die Forscherinnen außerdem Faktoren wie Alter, Geschlecht sowie die Lebensumstände der Probanden.

Die Psychologinnen kamen zu dem Schluss, dass eher die weniger offenen, aber extravertierteren Personen Kinder bekamen. Die Offenheit nahm mit der Geburt des Babys weiter ab, und auch die Extraversion schwand. »Das ergibt durchaus Sinn, schließlich hat man dann nicht mehr so viel Zeit, sich mit neuen Dingen zu beschäftigen oder Freunde zu treffen«, erklärt Studienautorin Asselmann. An den anderen Eigenschaften habe sich hingegen »gar nicht so viel verändert«. Das hat die Psychologin überrascht, schließlich stelle die Geburt des ersten Kindes doch eine extrem einschneidende Veränderung dar.

Gewissenhaftigkeit ist eine Frage des Alters

Asselmanns Ergebnisse stehen damit im Widerspruch zum »Prinzip der sozialen Investition«, das die US-amerikanischen Psychologen Brent Roberts und Dustin Wood 2006 formuliert haben. Demnach führt die Geburt eines Babys eindeutig zu einem reiferen Verhalten der Eltern. Laut der aktuellen Studie jedoch beeinflussen Alter und Geschlecht die Entwicklung der Persönlichkeit stärker.

Junge Eltern bis 23 Jahre, so schreiben Asselmann und Specht, würden im ersten Jahr deutlich gewissenhafter als zuvor. Bei Paaren zwischen 24 und 35 Jahren war dieser Effekt geringer, hielt dafür aber länger an. Eltern ab 36 Jahre wiederum waren im ersten Jahr nach der Geburt sogar weniger gewissenhaft, jedoch emotional stabiler als zuvor. Männer erwiesen sich im direkten Vergleich als weniger offen, extravertiert und umgänglich als die Frauen, dafür aber emotional stabiler.

Möglicherweise hatten sie sich bereits in jungen Jahren einen beruflichen Status erarbeitet, der es ihnen erlaubte, zu Hause zu bleiben und sich um das Kind zu kümmern, spekulieren die Autorinnen. Vielleicht waren die Älteren auch geübter, Termine zu planen und Verantwortung zu übernehmen, so dass sie entspannter mit der neuen Situation umgingen. Abschließend geklärt ist das aber nicht.

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