Direkt zum Inhalt

Lexikon der Mathematik: Axiomatische Mengenlehre

Die axiomatische Mengenlehre ist ein Teilgebiet der Mathematik, das die Mengenlehre (und damit die gesamte Mathematik) axiomatisch begründet. Der Begriff der Menge wird axiomatisch präzisiert mit dem Ziel, die in der naiven Mengenlehre auftretenden Antinomien zu vermeiden.

Konkret geschiet dies durch die Formulierung eines Axiomensystems der Mengenlehre, dessen Axiome die Existenz und Eindeutigkeit von Mengen regeln. Das Universum von Mengen V der zu einem gegebenen Axiomensystem gehörenden Mengenlehre besteht genau aus allen Objekten, die sich aufgrund der Axiome als Menge nachweisen lassen. Dieses Universum von Mengen ist dann identisch mit dem Universum mathematischer Objekte der durch die Mengenlehre begründeten Mathematik.

Die Axiome werden in einer formalen Sprache der mathematischen Logik formuliert; man nennt dies auch die Metatheorie. Davon zu unterscheiden ist die formale Theorie, die alle aus den Axiomen ableitbaren Sätze beinhaltet. Die konkrete Vorgehensweise und deren Rechtfertigung hängt von der zugrundeliegenden Philosophie der Mathematik ab.

Ein häufiger Standpunkt ist der des Finitismus bezüglich der Metatheorie. In der Metatheorie ist dann nur der Umgang mit endlichen Objekten erlaubt, während in der formalen Theorie i.allg. auch Aussagen über unendliche Mengen gemacht werden. Die Axiome der Mengenlehre werden in einer Sprache erster Ordnung mit endlich vielen mengentheoretischen Symbolen formuliert, und die Ableitung von Sätzen aus den Axiomen erfolgt nach endlich vielen Ableitungsregeln, die sich als Manipulationsregeln für endliche Zeichenketten interpretieren lassen.

Für eine endliche Zeichenkette ist dann in endlich vielen Schritten entscheidbar, ob es sich um ein Axiom der Mengenlehre handelt, selbst wenn die Zahl der Axiome nicht endlich ist. Weiterhin läßt sich jede vorgelegte Ableitung eines Satzes aus den Axiomen in endlich vielen Schritten auf ihre Richtigkeit prüfen.

Die in der Metatheorie axiomatisierte Mengenlehre wird auch als Hintergrundmengenlehre bezeichnet, da sie den Hintergrund aller mathematischen Untersuchungen darstellt. Tritt die gleiche Mengenlehre als ein Objekt mathematischer Untersuchungen auf, so spricht man von der Objektmengenlehre. Zwischen Hintergrund- und Objektmengenlehre ist sorgfältig zu unterscheiden. Viele Paradoxien beruhen auf einer Vermischung dieser beiden Ebenen. Als Beispiel sei das Skolemsche Paradoxon genannt.

Ein die Mengenlehre begründendes Axiomensystem muß zwei Bedingungen genügen, die sich entgegenstehen. Das Axiomensystem soll einerseits widerspruchsfrei sein und andererseits die Existenz eines so reichhaltigen Universums von Mengen garantieren, daß alle mathematisch interessanten Fragestellungen darin untersucht werden können.

Es sollen nun die wichtigsten Axiomensysteme der Mengenlehre vorgestellt werden.

Zunächst wird definiert, was unter einer mengentheoretischen Formel zu verstehen ist.

Die verwendete formale Sprache erster Ordnung besteht aus den Zeichen \(\wedge, \neg, \vee, (,),=,{\upsilon }_{j}\text{f}ü\text{r}j=1,2,\ldots \) und dem mengentheoretischen Symbol ∈. Gemäß den folgenden zwei Regeln lassen sich dann mengentheoretische Formeln zusammensetzen:

Die erste Regel besagt, daß \({\upsilon }_{i}\in {\upsilon }_{j}\text{und}{\upsilon }_{i}={\upsilon }_{j}\text{f}ü\text{r}\text{alle}i,j=1,2,\cdots \) mengentheoretische Formeln sind. Die zweite Regel ist rekursiv und besagt, daß, wenn ϕ und ψ mengentheoretische Formeln sind, so sind auch \((\phi )\wedge (\psi ),\neg (\phi )\text{und}\vee {\upsilon }_{j}(\phi )\text{f}ü\text{r}\text{jedes}j=1,2,\cdots \) mengentheoretische Formeln.

Um Formeln übersichtlicher gestalten zu können, werden weitere Symbole und Schreibweisen benutzt. Die entstehenden Formeln sind dann formal als Abkürzungen bzw. Synonyme für mengentheoretische Formeln zu betrachten. Zum Beispiel steht

\begin{eqnarray}(\phi )\vee (\psi )\text{für}\neg ((\neg (\phi ))\wedge (\neg (\psi )))\end{eqnarray}

und

\begin{eqnarray}\mathop{\wedge }\limits_{x}((\phi )\Rightarrow (\psi ))\text{für}\neg (\vee {v}_{j}((\neg (\phi ))\vee (\psi )))\end{eqnarray}

mit einem geeigneten vj.

Die Variablen in mengentheoretischen Formeln sind mit Mengen zu belegen; das ∈-Symbol wird auch Elementrelation genannt. Die anschauliche Interpretation ist die, daß die links von ∈ stehende Menge als Element in der rechts von ∈ stehenden Menge enthalten ist. Alle anderen Zeichen der formalen Sprache werden gemäß den Konventionen der mathematischen Logik interpretiert.

Eine Variable heißt frei, sofern sie nicht durch einen All-oder Existenzquantor gebunden ist. Der universelle Abschluß einer mengentheoretischen Formel φ entsteht, indem man für jede in φ frei auftretende Variable vj einen vj bindenden Allquantor ⋀vj von vorn an (φ) anfügt. Ein Axiom der Mengenlehre ist eine mengentheoretische Formel, in der keine freien Variablen auftreten und deren Gültigkeit gefordert wird.

Die folgenden Axiome (0)–(9) stellen das Axiomensystem der Zermelo-Fraenkelschen Mengenlehre mit Auswahlaxiom (ZFG) dar. Es ist üblich, in der Bezeichnung das Axiomensystem und die durch das Axiomensystem begründete Mengenlehre zu identifizieren. Gegenwärtig wird ZFG von den meisten Mathematikern als die die Mathematik begründende Mengenlehre betrachtet. Die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre bzw. das Zermelo-Fraenkelsche Axiomensystem der Mengenlehre (ZF) ist ZFG ohne das Auswahlaxiom (9), und die Zermelosche Mengenlehre bzw. das Zermelosche Axiomensystem der Mengenlehre (Z) entsteht aus ZF durch Entfernen des Ersetzungsaxioms (6).

(0) Existenzaxiom:

\begin{eqnarray}\mathop{\vee }\limits_{X}(X=X),\end{eqnarray}

d. h., es gibt eine Menge.

(1) Extensionalitätsaxiom:

\begin{eqnarray}\mathop{\wedge }\limits_{X}\mathop{\wedge }\limits_{Y}(\mathop{\wedge }\limits_{Y}(z\in X\iff z\in Y)\Rightarrow X=Y),\end{eqnarray}

d. h., enthalten zwei Mengen X und Y genau die gleichen Elemente, so sind sie gleich.

(2) Fregesches Komprehensionsaxiom, Aussonderungsaxiom oder Teilmengenaxiom: Genaugenommen handelt es sich hier nicht um ein einziges Axiom, sondern um ein ganzes Axiomensystem. Für jede mengentheoretische Formel φ, die die Variable Y nicht frei enthält, ist der universelle Abschluß der Formel

\begin{eqnarray}\mathop{\vee }\limits_{Y}\mathop{\wedge }\limits_{X}(x\in Y\iff (x\in X\wedge \phi ))\end{eqnarray}

ein Axiom, d. h., zu jeder Menge X existiert eine Menge Y, die genau die Elemente von X enthält, die zusätzlich die Eigenschaft φ haben. Man schreibt für die Menge Y dann auch {x : x&KHgr;φ] oder {x&KHgr; : φ}.

Jede mengentheoretische Formel stellt also eine Eigenschaft einer Menge x dar. Daß man immer voraussetzt, daß x bereits in einer Menge X enthalten ist, dient der Vermeidung von Widersprüchen wie der Russellschen Antinomie.

Aus Axiom (0) folgt die Existenz einer Menge X. Aus Axiom (2) folgt sodann die Existenz einer Menge {x&KHgr; : xx}. Wegen des Extensionalitätsaxioms ist die so definierte Menge von X unabhängig und somit eindeutig. Sie wird leere Menge oder Null genannt und mit ∅ oder 0 bezeichnet.

(3) Fundierungs-oder Regularitätsaxiom:

\begin{eqnarray}\mathop{\wedge }\limits_{X}(X\ne 0\Rightarrow \mathop{\vee }\limits_{x\in X}(x\cap X=0)),\end{eqnarray}

d. h., in jeder nichtleeren Menge X gibt es ein Element x, das zu X disjunkt ist.

(4) Paarmengenaxiom:

\begin{eqnarray}\mathop{\wedge }\limits_{x}\mathop{\wedge }\limits_{y}\mathop{\vee }\limits_{Z}(x\in Z\wedge y\in Z),\end{eqnarray}

d. h., zu je zwei Mengen x und y gibt es eine Menge Z, die x und y als Elemente enthält. Hat Z genau x und y als Elemente und sind x und y verschieden, so heißt Z Paarmenge.

(5) Vereinigungsmengenaxiom:

\begin{eqnarray}\mathop{\wedge }\limits_{ {\mathcal M} }\mathop{\vee }\limits_{Y}\mathop{\wedge }\limits_{x}\mathop{\wedge }\limits_{X}((x\in X\wedge X\in {\mathcal M} )\Rightarrow x\in Y),\end{eqnarray}

d. h., zu jeder Menge von Mengen \( {\mathcal M} \) gibt es eine Menge Y, die alle Elemente von Mengen in \( {\mathcal M} \) als Elemente enthält. Sind dies genau die Elemente von Y, so heißt Y die Vereinigung der Mengen in \( {\mathcal M} \).

(6) Ersetzungsaxiom oder Funktionalaxiom: Wie schon bei dem Komprehensionsaxiom handelt es sich eigentlich um ein Axiomensystem. Ist φ eine mengentheoretische Formel, die die Variable Y nicht frei enthält, so ist der universelle Abschluß von

\begin{eqnarray}(\mathop{\wedge }\limits_{x\in X}\mathop{\vee!}\limits_{y}\phi )\Rightarrow (\mathop{\vee }\limits_{y}\mathop{\wedge }\limits_{x\in X}\mathop{\vee }\limits_{y\in Y}\phi )\end{eqnarray}

ein Axiom, d. h., gibt es zu jedem xX genau ein y mit der (evt. von x abhängenden) Eigenschaft φ, so gibt es eine Menge Y, die zu jedem xX ein y mit der Eigenschaft φ enthält. Mit anderen Worten: Es gibt die Funktion f : XY, xy.

(7) Unendlichkeitsaxiom:

\begin{eqnarray}\mathop{\vee }\limits_{X}(0\in X\wedge \mathop{\wedge }\limits_{x\in X}(x\cup \{x\}\in X)),\end{eqnarray}

d. h., es gibt eine Menge X, die die leere Menge zum Element hat und die mit einer Menge x auch die Menge x ⋃ {x} zum Element hat. Eine Menge mit dieser Eigenschaft heißt induktive Menge. Durch das Unendlichkeitsaxiom wird sichergestellt, daß es eine Menge mit unendlich vielen Elementen gibt.

(8) Potenzmengenaxiom:

d. h., zu jeder Menge X existiert eine Menge, die alle Teilmengen von X als Elemente enthält. Enthält keine weiteren Elemente, so heißt die Potenzmenge von X und wird meist mit oder 2X bezeichnet.

(9) Auswahlaxiom, AG:

\begin{eqnarray}\mathop{\wedge }\limits_{ {\mathcal M} }(\varnothing \notin {\mathcal M} \Rightarrow \mathop{\vee }\limits_{f: {\mathcal M} \to \mathop{\cup }\limits_{M\in {\mathcal M} }M}(\mathop{\wedge }\limits_{N\in {\mathcal M} }f(N)\in N)),\end{eqnarray}

d. h., es gibt zu jeder Menge \( {\mathcal M} \), deren Elemente sämtlich nichtleere Mengen sind, eine Auswahlfunktion, die jeder Menge in \( {\mathcal M} \) eines ihrer Elemente zuordnet.

Gelegentlich werden zur Definition von ZFG andere, äquivalente Axiomensysteme verwendet. Alternative Axiome für (0) bzw. (4) sind z. B.

(O’) Axiom der leeren Menge oder Nullmengenaxiom:

\begin{eqnarray}\mathop{\vee }\limits_{X}\mathop{\wedge }\limits_{x}(x\notin X),\end{eqnarray}

d. h., es existiert die leere Menge.

(4’) Einermengenaxiom:

\begin{eqnarray}\mathop{\wedge }\limits_{x}\mathop{\vee }\limits_{X}(x\in X),\end{eqnarray}

d. h., zu jeder Menge x gibt es eine Menge X, die x als Element enthält. Hat X keine weiteren Elemente, so schreibt man {x} := X und bezeichnet die Menge als Einermenge oder Singletonmenge.

Obwohl man wegen der Russellschen Antinomie nicht zu jeder mengentheoretischen Formel φ die Existenz einer Menge {x : φ} fordern kann, ohne Widersprüche zu erzeugen, ist es oft hilfreich, sich eine „Kollektion“ aller Mengen mit der Eigenschaft φ vorzustellen. Man spricht dabei von einer Klasse. Anschaulich gesehen ist eine Klasse also eine Kollektion von Mengen, die i.allg. „zu groß“ ist, um eine Menge zu sein. Im Rahmen von ZFG ist eine Klasse formal mit einer mengentheoretischen Formel identisch. Eine Klasse {x : φ], die keine Menge ist, wird als echte Klasse bezeichnet. Es ist üblich, echte Klassen mit fettgedruckten Buchstaben zu bezeichnen. Beispiele für echte Klassen sind die Klasse aller Mengen V := {x : x = x} (auch Allklasse genannt) und die Klasse der Ordinalzahlen ON. Nimmt man an, daß V bzw. ON Mengen sind, so führt das zu den als Cantorsche Antinomie bzw. Antinomie von Burali-Forti (Burali-Forti, Antinomie von) bezeichneten Widersprüchen.

Auch in ZFG werden häufig Aussagen mit Hilfe echter Klassen formuliert. Formal sind solche Formulierungen als Abkürzungen für Aussagen ohne echte Klassen aufzufassen. Z.B. steht xON für die Aussage „x ist eine Ordinalzahl“, ONX steht für die Menge {xX : x ist eine Ordinalzahl}. Ähnlich lassen sich viele mathematische Konzepte wie z. B. Relationen und Abbildungen auf Klassen ausdehnen. Z.B. läßt sich die Klasse F := {((X, Y), Z) : Z = XY} als Abbildung F : V × V → V, (X, Y) ↦ XY interpretieren.

Man kann nun noch einen Schritt weitergehen und Eigenschaften von Klassen betrachten. Soll eine Aussage für alle Klassen gelten, so heißt das formal, daß ein ganzes System von Aussagen gelten soll. Dieser Sachverhalt soll am Beispiel des Satzes der transfiniten Induktion verdeutlicht werden:

Jede nichtleere Klasse K ⊆ ON hat ein kleinstes Element.

Formal ist der Satz der transfiniten Induktion eine Abkürzung für ein System unendlich vieler Sätze. Eine Formulierung ohne Klassen lautet:

Für jede mengentheoretische Formel K(x) ist der universelle Abschluß der folgenden Formel ein Satz:

\begin{eqnarray}(\mathop{\wedge }\limits_{x}(\text{K}(x)\Rightarrow x\text{ist}\text{Ordinalzahl})\wedge \mathop{\vee }\limits_{x}\text{K}(x))\\ \Rightarrow \mathop{\vee }\limits_{x}(\text{K}(x)\wedge \mathop{\wedge }\limits_{y}(\text{K}(y)\Rightarrow y\ge x)).\end{eqnarray}

Der Satz der transfiniten Induktion ist die Grundlage des Beweisprinzips der transfiniten Induktion (Kardinalzahlen und Ordinalzahlen).

In der von Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre (auch Bernays-, Bernays-Gödel-, NBG- oder BG-Mengenlehre) sind die Variablen in den mengentheoretischen Formeln Klassenvariablen. Die Existenz von Klassen wird axiomatisch gefordert, und Mengen werden als spezielle Klassen definiert. Dabei heißt eine Klasse x genau dann eine Menge, wenn es eine Klasse Y mit xY gibt. Es ist dann üblich, kleine Buchstaben für Mengen zu reservieren.

In der NBG-Mengenlehre gibt es ein Komprehensionsaxiom für Klassen: Für jede mengentheoretische Formel φ der NBG-Mengenlehre ohne gebundene Klassenvariablen, die X nicht als freie Variable enthält, ist der universelle Abschluß der Formel

\begin{eqnarray}\mathop{\vee }\limits_{X}\mathop{\wedge }\limits_{y}(y\in X\iff \phi )\end{eqnarray}

ein Axiom.

Bei der NBG-Mengenlehre handelt es sich um eine sogenannte konservative Erweiterung von ZF, d.h., eine Aussage, die nur Mengen als Variablen enthält gilt in der NBG-Mengenlehre genau dann, wenn sie in ZF gilt.

Läßt man im oben genannten Komprehensions-axiom der NBG-Mengenlehre zu, daß φ auch gebundene Klassenvariablen enthalten darf, so erhält man die Bernays-Morse-Mengenlehre bzw. deren Axiomensystem.

Eine Besonderheit der NBG-Mengenlehre im Vergleich mit ZF oder der Bernays-Morse-Mengenlehre ist ihre endliche Axiomatisierbarkeit, d. h., man findet endlich viele Axiome, aus denen sich bereits alle Sätze der Theorie ableiten lassen. Man kann zeigen, daß weder ZF noch die Bernays-Morse-Mengenlehre endlich axiomatisierbar sind, sofern man ihre Konsistenz voraussetzt.

Die Begriffe der Konsistenz (Widerspruchsfreiheit) und Unabhängigkeit sind für die axiomatische Mengenlehre von großer Bedeutung.

Ein Axiomensystem \({\mathscr{A}}\) heißt konsistent oder widerspruchsfrei genau dann, wenn es ein Modell hat. Dabei ist ein Modell von \({\mathscr{A}}\) eine Klasse M, so daß für alle Axiome φ aus \({\mathscr{A}}\) die sog. Relativierung von φ bezüglich M gilt. Ist \({\mathscr{A}}\) speziell ein Axiomensystem der Mengenlehre, so heißt M ein Modell der Mengenlehre.

Hat das Axiomensystem \({\mathscr{A}}\) ein Modell, so schreibt man auch \(\text{Con}({\mathscr{A}})\). Eine Aussage φ heißt konsistent mit einem Axiomensystem \({\mathscr{A}}\) oder auch unwiderlegbar aus \({\mathscr{A}}\) genau dann, wenn

\begin{eqnarray}\text{Con}({\mathscr{A}})\Rightarrow \text{Con}({\mathscr{A}}\cup \text{{}\phi \text{}}).\end{eqnarray}

Eine Aussage φ heißt unbeweisbar aus einem Axiomensystem \({\mathscr{A}}\) genau dann, wenn \({\mathscr{A}}\cup \{-\phi \}\) konsistent ist. Ist eine Aussage konsistent und unbeweisbar bezüglich eines Axiomensystems \({\mathscr{A}}\), so heißt sie unabhängig von \({\mathscr{A}}\).

Ein Zweig der axiomatischen Mengenlehre beschäftigt sich damit, im Sinne der obigen Definitionen Konsistenzbeweise und Unabhängigkeitsbeweise zu erbringen. Leider ist es wegen des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes unmöglich, die Konsistenz der Mengenlehre nachzuweisen: Ist ZF konsistent, so läßt sich das in ZF nicht beweisen. Das gleiche gilt entsprechend für die NBG-und die Bernays-Morse-Mengenlehre.

Es zeigt sich Z.B., daß das Auswahlaxiom von ZF unabhängig ist. Von ZFG unabhängige Axiome sind die Kontinuumshypothese, die verallgemeinerte Kontinuumshypothese, das Martinsche Axiom, die Souslinsche Hypothese und das Konstruktibilitätsaxiom.

Die Nichtexistenz schwach unerreichbarer Kardinalzahlen, die Nichtexistenz stark unerreichbarer Kardinalzahlen und die Nichtexistenz meßbarer Kardinalzahlen (Kardinalzahlen und Ordinalzahlen) ist mit ZFG konsistent. Man kann jedoch in ZFG (sofern ZFG widerspruchsfrei ist) nicht beweisen, daß die Existenz einer der genannten Kardinalzahltypen mit ZFG konsistent ist.

Das Standardverfahren zum Nachweis vieler Unabhängigkeitsresultate ist das von Cohen entwickelte Forcing.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.