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Lexikon der Mathematik: Polynome

M. Schlichenmaier

Polynome in einer Variablen X über einem kommutativen Ring R (mit Eins) sind formale Summen f (auch mit f (X) bezeichnet) der Form \begin{eqnarray}f=f(x) & = & {a}_{n}{X}^{n}+{a}_{n-1}{X}^{n-1}+\cdots +{a}_{0}{X}^{0}\\ & = & \displaystyle \sum _{i=0}^{n}{a}_{i}{X}^{i}.\end{eqnarray} Hierbei ist n ∈ ℕ0 beliebig, und die an, an−1, …, a0 (genannt die Koeffizienten des Polynoms) sind aus R. Je nach dem Kontext bezeichnet man das Polynom mit f, f (X) oder auch f (x). Das Symbol X bzw. x heißt Variable oder manchmal auch Veränderliche. „Formale Summe“ oder „formaler Ausdruck“ soll in diesem Zusammenhang bedeuten, daß man die Summanden mit verschiedenen „Potenzen“ von X unverändert nebeneinander aufführt. Erst wenn man statt X ein Ringelement α „einsetzt“ und die Potenzen in X als Potenzen von α interpretiert, wird die formale Summe zu einer echten Summe im Ring und kann ausgeführt werden (siehe weiter unten).

Der Begriff formale Summe kann in der folgenden Weise präzisiert werden. Ein Polynom f wird als finite Abbildung \begin{eqnarray}f:{{\rm{{\mathbb{N}}}}}_{\text{0}}\to R,\,\,\,\, i\mapsto {f}_{i}\end{eqnarray} definiert. Finit bedeutet, daß bis auf höchstens endlich viele Ausnahme fi = 0 gilt. Ein Polynom f, definiert als „formale Summe“ gemäß (1), legt durch iai eine finite Abbildung (2) fest. Umgekehrt ist durch die finite Abbildung (2) eine formale Summe (1) mit ai = fi fixiert. Es gibt spezielle Abbildungen en für n ∈ ℕ0, definiert durch \begin{eqnarray}{e}_{n}:{{\rm{{\mathbb{N}}}}}_{\text{0}}\to R;\,\,\,\, j\mapsto \left\{\begin{array}{l}1,\ j=n,\\ 0,\ j\neq n,\end{array}\right.\end{eqnarray} Unter obiger Identifikation entspricht dem Element en das Polynom Xn.

Alle folgenden Konstruktionen in den formalen Summen können mit Hilfe der entsprechenden Konstruktionen für die finiten Abbildungen präzisiert werden (was hier nicht ausgeführt werden soll). Im Lichte dieser Präzisierung wird vereinbart, daß die nicht geschriebenen Terme in der formalen Summe (1) bei Bedarf durch 0 · Xi ersetzt werden können, und daß weiterhin Terme dieser Art weggelassen werden können. Desweiteren kommt es nicht auf die Reihenfolge an, in der die Potenzen Xi geschrieben werden. Statt a0X0 in (1) schreibt man meist nur a0.

Die Menge der Polynome mit Koeffizienten aus R wird mit R[X] bezeichnet. Von spezieller Bedeutung sind die Fälle, in denen die Koeffizienten ganze Zahlen (R = ℤ) bzw. Elemente von Körpern (z. B. ℚ, ℝ oder ℂ) sind. In diesem Fall spricht man auch von ganzzahligen, rationalen, reellen, bzw. komplexen Polynomen.

Die Menge der Polynome R[X] ist eine Algebra über R, d. h. sie besitzt eine Addition, eine Multiplikation mit dem Skalarenbereich R und eine Multiplikation, die gewisse Kompatibilitätsbedingungen untereinander erfüllen. Die Verknüpfungen sind wie folgt definiert. Seien \(f(X)=\displaystyle {\sum }_{i=0}^{n}{a}_{i}{X}^{i}\) und \(g(X)=\displaystyle {\sum }_{i=0}^{m}{b}_{i}{X}^{i}\) zwei Polynome und rR ein Ringelement, dann gilt \begin{eqnarray}(f+g)(X) & := & \displaystyle \sum _{i=0}^{\max (n,m)}({a}_{i}+{b}_{i}){X}^{{}_{i}}\\ (r,f)(X) & := & \displaystyle \sum _{i=0}^{n}(r{a}_{i}){X}^{{}_{i}}\\ (f\cdot g)(X) & := & \displaystyle \sum _{i=0}^{n\cdot m}\left(\displaystyle \sum _{j=0}^{i}{a}_{j}{b}_{i-j}\right){X}^{{}_{i}}.\end{eqnarray} Insbesondere ist R[X] ein Modul über dem Ring R, bzw. 𝕂[X] ein Vektorraum über dem Körper 𝕂. Eine Basis ist gegeben durch \begin{eqnarray}B:=\{{X}^{i}|i\in {{\rm{{\mathbb{N}}}}}_{\text{0}}\}.\end{eqnarray} Die Basiselemente heißen Monome. Die Multiplikation kann auch als bilineare Fortsetzung von \begin{eqnarray}{X}^{i}\cdot {X}^{j}:={X}^{i+j}\end{eqnarray} definiert werden. Durch rr · X0 wird R in R[X] als Untervektorraum, bzw. Untermodul eingebettet. Die Elemente dieses Unterraums heißen konstante Polynome.

Sei f ein Polynom wie in (1) gegeben mit an ≠ 0, dann ist der Grad des Polynoms f, deg f, als n definiert. Das Element an ≠ 0 heißt höchster Koeffizient oder Leitkoeffizient des Polynoms. Dem Nullpolynom ordnet man den Grad −∞ zu. Die weiteren konstanten Polynome sind genau die Polynome vom Grad Null. Es gilt \begin{eqnarray}\deg (f+g) & \le & \max (\deg f,\deg g),\\ \deg (f\cdot g) & \le & \deg f+\deg g.\end{eqnarray} Ist der Ring nullteilerfrei (z. B. ℤ oder ein Körper), dann gilt \begin{eqnarray}\deg (f\cdot g)=\deg f+\deg g.\end{eqnarray} Ein Polynom f (X), gegeben durch (1), definiert in natürlicher Weise die Polynomfunktion \begin{eqnarray}\hat{f}:R\to R,\,\,\,\, \alpha \mapsto f(\alpha ):=\displaystyle \sum _{i=0}^{n}{\alpha }_{i}{\alpha }^{i},\end{eqnarray} indem man die formale Variable X durch das Ring-element α ersetzt. Polynome über Körpern von Charakteristik Null sind eindeutig durch ihre Polynomfunktionen festgelegt. Manchmal identifiziert man in diesem Fall Polynome mit der dadurch bestimmten Polynomfunktion. Es ist jedoch zu beachten, daß für beliebige Ringe und sogar Körper das Polynom f durch die Kenntnis der Polynomabbildung \(\hat{f}\) nicht eindeutig fixiert ist. So definieren die beiden Polynome XpX und 0 · X (das Null-polynom) für den Körper mit p Elementen 𝔽p (p eine Primzahl) als Polynomfunktionen jeweils die Nullfunktion α ↦ 0.

Im folgenden sei R immer als nullteilerfreier Ring oder sogar als Körper vorausgesetzt. Ist f ein Polynom vom Grad deg f ≥ 1, und ist αR gegeben mit \(\hat{f}(\alpha )=0\), so heißt α eine Nullstelle des Polynoms f. Ist α eine Nullstelle des Polynoms f, so kann f als Produkt \begin{eqnarray}f(X)=g(X)\cdot (X-\alpha )\end{eqnarray} geschrieben werden. Hierbei ist g(X) ein Polynom vom Grad deg g = deg f −1. Dieses Verfahren heißt Abspaltung einer Nullstelle. Durch sukzessive Abspaltung von weiteren Nullstellen erhält man das Ergebnis, daß ein Polynom vom Grad n höchstens n Nullstellen hat. Das Polynom g kann durch Division mit Rest im Polynomring konstruiert werden. Die Division mit Rest ist allgemein für Polynome f, gR[X] mit deg f > deg g unter der Bedingung, daß der höchste Koeffizient von g eine Einheit in R (d. h. invertierbar) ist, definiert. Sie liefert Polynome q, rR[X] mit \begin{eqnarray}f(X)=q(X)\cdot g(X)+r(X),\end{eqnarray} derart, daß \begin{eqnarray}\deg q=\deg f-\deg g.\end{eqnarray} und entweder

  1. r ≡ 0 (d. h., r ist das Nullpolynom), oder
  2. deg r < deg g
gilt.

Das Polynom q(X) heißt Quotient, r(X) heißt Rest. Ein Polynom \(f(X)=\displaystyle {\sum }_{i=0}^{n}{a}_{i}{X}^{i}\) heißt durch \(g(X)=\displaystyle {\sum }_{i=0}^{m}{b}_{i}{X}^{i}\) teilbar, wenn der Rest verschwindet. Der Quotient heißt in diesem Fall ein Teiler des Polynoms. Die Koeffizienten des Quotienten \(q(X)=\displaystyle {\sum }_{j=0}^{k}{c}_{j}{X}^{j}\) können rekursiv durch Koeffizientenvergleich gewonnen werden. Sei \begin{eqnarray}n=\deg f,\,\,\,\, m=\deg g,\,\,\,\, k=\deg q=n-m,\end{eqnarray} dann berechnet sich \begin{eqnarray}\begin{array}{rcl}{c}_{k} & = & {b}_{m}^{-1}{a}_{n},\\ {c}_{k-1} & = & {b}_{m}^{-1}({a}_{n-1}-{c}_{k}{b}_{m-1})\\ & \vdots \vdots & \\ {c}_{0} & = & {b}_{m}^{-1}({a}_{m}-{c}_{1}{b}_{m-1}\cdots -{c}_{k}{b}_{m-k}).\end{array}\end{eqnarray} Das Restpolynom ergibt sich als \begin{eqnarray}r(X)=f(X)-q(X)\cdot g(X).\end{eqnarray}

Sind f und g zwei Polynome über einem Körper 𝕂, so existiert der größte gemeinsame Teiler ggT( f, g) bezüglich des Grads. Er ist ein Polynom und kann mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus’ bestimmt werden. Hierzu wird sukzessive Division mit Rest durchgeführt. Es ist \begin{eqnarray}\begin{array}{rcll}f(X) & = & {q}_{1}(X)g(X)+{r}_{1}(X), & \deg {r}_{1} \lt \deg g,\\ g(X) & = &{q}_{2}(X){r}_{1}(X)+{r}_{2}(X), & \deg {r}_{2} \lt \deg {r}_{1}\\ {r}_{1}(X) & = &{q}_{3}(X){r}_{2}(X)+{r}_{3}(X), & \deg {r}_{3} \lt \deg {r}_{2}\\ & \vdots \vdots & & \end{array}\end{eqnarray} Das Verfahren terminiert, wenn das erste Mal als Rest rk Null auftritt. Der letzte nichtverschwindende Rest rk−1 (bzw. der Quotient im letzten Schritt) ist der größte gemeinsame Teiler ggT( f, g) der Polynome f und g. Durch Rückwärtseinsetzen liefert der Algorithmus eine Darstellung \begin{eqnarray}gg\text{T}(f,g)(X)=h(X)f(X)+l(X)g(X)\end{eqnarray} mit geeigneten Polynomen h und l. Zwei Polynome heißen teilerfremd, falls der größte gemeinsame Teiler eine Konstante ist.

Ein Polynom, das man nicht als Produkt von Polynomen vom Grad ≥ 1 schreiben kann, heißt irreduzibles Polynom oder auch Primpolynom. Im Polynomring über einem Körper kann man jedes Polynom als Produkt von irreduziblen Polynomen schreiben. Die Faktoren sind bis auf die Reihenfolge und die Multiplikation mit Skalaren eindeutig bestimmt. Sie heißen die Primfaktoren der Polynome. Über algebraisch abgeschlossenen Körpern (z. B. ℂ) sind die einzigen Primpolynome die linearen Polynome (Xα), α ∈ 𝕂, bzw. deren skalare Vielfache.

Ein „einfacher“ Algorithmus zur Bestimmung der Nullstellen eines Polynoms über einem Körper ausgehend von den (beliebigen) Koeffizienten des Polynoms existiert nur für Polynome des Grads 1, 2, 3 oder 4; siehe hierzu quadratische Gleichung, Cardanische Lösungsformeln, casus irreducibilis, und kubische Resolvente. Der Satz von Abel (Abel, Satz von) besagt nämlich, daß für Polynome vom Grad ≥ 5 kein Algorithmus zur Null-stellenbestimmung existiert, der durch Addition, Multiplikation und sukzessives Wurzelziehen ausgehend von den Koeffizienten ausgeführt werden kann. Der Beweis verwendet die Galois-Theorie.

Polynome in mehreren Variablen werden in analoger Weise definiert. Polynome in n Variablen X1, X2, …, Xn über einem Ring R sind formale Summen der Form \begin{eqnarray}\begin{array}{l}f({X}_{1},{X}_{2},\ldots,{X}_{n})=\\ \displaystyle \sum _{0\le {i}_{1},{i}_{2},\ldots,{i}_{n}}a({i}_{1},\ldots,{i}_{n}){X}_{1}^{{i}_{1}}{X}_{2}^{{i}_{2}}\cdots {X}_{n}^{{i}_{n}}.\end{array}\end{eqnarray} Hierbei ist die Summe als endlich vorausgesetzt. Mit Hilfe der Multiindex-Schreibweise X = (X1, X2, …, Xn), i = (i1, i2, …, in), kann (3) auch kompakter als \begin{eqnarray}f(X)=\displaystyle \sum _{i}{a}_{i}{X}^{i}\end{eqnarray} geschrieben werden. Das Element \({X}_{1}^{{i}_{1}}{X}_{2}^{{i}_{2}}\cdots {X}_{n}^{{i}_{n}}\) heißt Monom vom Grad |i| := i1 + i2 + … + in. Wiederum kann „formale Summe“ präzisiert werden als finite Abbildung \({{\rm{{\mathbb{N}}}}}_{0}^{n}\to R\). Die Addition, Multiplikation, usw. übertragen sich in offensichtlicher Weise auf Polynome in mehreren Variablen, wobei für die Multiplikation vereinbart wird, daß Xj · Xi = Xi · Xj gilt. In dieser Weise erhält man den (kommutativen) Polynomring R[X1, X2, …, Xn] in n Variablen. Er kann auch rekursiv als Polynomring in der Variablen Xn über dem Polynomring in den Variablen X1, …, Xn−1 konstruiert werden. Der Grad des Polynoms (3) bzw. (4) ist definiert als das maximale k, für welches nichtverschwindende Koeffizienten ai ≠ 0 existieren mit k =|i|. Polynome in mehreren Variablen über einem Körper können als Produkte irreduzibler Polynome geschrieben werden. Die Faktoren sind, bis auf Vertauschung der Reihenfolge und Multiplikation mit nichtverschwindenden Konstanten, eindeutig.

Der homogene Anteil fl(X) vom Grad l eines Polynoms (4) ist definiert als \begin{eqnarray}{f}_{l}(X)=\displaystyle \sum _{|i|=l}{a}_{i}{X}^{i}.\end{eqnarray} Jedes Polynom besitzt eine eindeutige Zerlegung in die Summe seiner homogenen Anteile \begin{eqnarray}f(X)=\displaystyle \sum _{l=0}^{k}{f}_{l}(X).\end{eqnarray} Ein Polynom vom Grad n heißt homogenes Polynom vom Grad n, falls f mit seinem homogenen Anteil vom Grad n übereinstimmt. Die Zerlegung in homogene Anteile liefert eine Zerlegung des unendlichdimensionalen Vektorraums der Polynome (bzw. des freien Moduls) in endlichdimensionale direkte Summanden Pl \begin{eqnarray}R[{X}_{1},{X}_{2},\ldots,{X}_{n}]=\underset{l=0}{\overset{\infty }{\bigoplus }}{P}_{l}.\end{eqnarray} Der Summand Pl ist definiert als \begin{eqnarray}{p}_{l}:=\{f\ \text{ist homogen vom Grad}\ l\ \text{oder}\ f \equiv 0\}.\end{eqnarray} Er wird erzeugt von den Monomen vom Grad l und heißt homogener Unterraum vom Grad l. Es gilt \begin{eqnarray}\dim {P}_{l}=\left(\begin{array}{c}n+l-1\\ l\end{array}\right)\end{eqnarray} Für eine einzige Variable sind die homogenen Unterräume Pl eindimensional und werden durch die Xl erzeugt. Unter der Zerlegung wird R[X1, X2, …, Xn] ein graduierter Ring ( falls R nullteilerfrei ist), d. h., es gilt Pl · Pl′ ⊆ Pl+l′.

Polynomringe haben wichtige algebraische Eigenschaften. So sind etwa Polynomringe in n Variablen über einem Körper Noethersche Ringe. Allgemeiner gilt: Polynomringe über einem Noetherschen Ring sind selbst wieder Noethersch (Hilbertscher Basissatz). Polynomringe über ℤ sind also auch Noethersch.

Gegeben sei ein Polynom (4) über einem Körper 𝕂. Ist α = (α1, …, αn) ∈ 𝕂n ein Punkt des n-dimensionalen affinen Raums, dann ist \begin{eqnarray}f(\alpha ):=\displaystyle \sum _{i}{a}_{i}{\alpha }^{i}=\displaystyle \sum _{0\le {i}_{1},\ldots,{i}_{n}}{a}_{{i}_{1},\ldots,{i}_{n}}{\alpha }_{1}^{{i}_{1}}{\alpha }_{2}^{{i}_{2}}\cdots {\alpha }_{n}^{{i}_{n}}\end{eqnarray} ein Element aus dem Körper 𝕂. Der Punkt α ∈ 𝕂n heißt Nullstelle des Polynoms, falls f(α) = 0.

Das Studium von Nullstellen von einen oder mehreren Polynomen in mehreren Variablen taucht typischerweise bei geometrischen Fragestellungen auf. Die Menge gemeinsamer Nullstellen einer Menge von Polynomen ist eine (nicht notwendig irreduzible) Varietät. Varietäten werden in der algebraischen Geometrie untersucht (algebraische Menge). Wichtige geometrische Objekte können als Nullstellengebilde von Polynomen gegeben werden. So ist die Sphäre S2 im ℝ3 die Nullstellenmenge des Polynoms \begin{eqnarray}f(X,Y,Z)={X}^{2}+{Y}^{2}+{Z}^{2}-1.\end{eqnarray}

Weitere Verallgemeinerungen sind möglich:

(a) Polynome in unendlich vielen Variablen werden als direkter Limes durch sukzessives „Hinzufügen“ von Variablen Xi, i = 1, 2, … zum Polynomring in i − 1 Variablen erhalten. Ein Polynom in unendlich vielen Variablen kann als endliche Summe von Monomen gegeben werden, wobei in jedem Monom nur endlich viele der Variablen vorkommen. Insbesondere hängt jedes Polynom nur von endlich vielen Variablen ab.

(b) Läßt man die Endlichkeitsbedingung in den Polynomen für eine Variable fallen, so erhält man alle Abbildungen ℕ0R. Dies kann in formaler Weise auch als \begin{eqnarray}f(X)=\displaystyle \sum _{i\in {{\rm{{\mathbb{N}}}}}_{\text{0}}}{a}_{i}{X}^{i}\end{eqnarray} geschrieben werden. Manchmal benutzt man die Schreibweise \(\displaystyle {\sum }_{i=0}^{\infty }{a}_{i}{X}^{i}\), meint damit aber nicht, daß eine Grenzwertbildung beteiligt ist. Die Addition, Multiplikation mit Elementen aus R und die Multiplikation ist in derselben Weise wie beim Polynomring definiert. In dieser Weise erhält man den formalen Potenzreihenring R[[X]] in einer Variablen. Die formalen Ausdrücke heißen formale Potenzreihen. Es ist zu beachten, daß im Gegensatz zum Einsetzen in Polynomen, das Einsetzen von αR in eine Potenzreihe f (X) nicht notwendigerweise ein sinnvolles Ergebnis liefert, falls die Potenzreihe nicht abbricht. Das erste Problem ist die Frage nach der Bedeutung von \begin{eqnarray}f(\alpha )=\displaystyle \sum _{i\in {{\rm{{\mathbb{N}}}}}_{\text{0}}}{a}_{i}{\alpha }^{i}\end{eqnarray} in beliebigen Ringen. Aber selbst wenn diesem Ausdruck eine Bedeutung als Grenzwert lim \begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{k\to \infty }\displaystyle \sum _{i=0}^{k}{a}_{i}{\alpha }^{i}\end{eqnarray} gegeben werden kann, wie dies etwa für ℝ oder ℂ möglich ist, so ist nicht gewährleistet, daß dieser Grenzwert für irgendein α ≠ 0 überhaupt existiert. Man nennt eine Potenzreihe f (X) konvergent, falls der Grenzwert f (α) für ein α ≠ 0 existiert. Insbesondere existiert er dann für alle β mit |β| < |α|. Die konvergenten Potenzreihen bilden einen Teil-ring der formalen Potenzreihen. Die entsprechenden Definitionen für den formalen Potenzreihen-ring in n Variablen sind vollkommen analog.

(c) Beim Polynomring in n Variablen kommt es laut Definition nicht auf die Reihenfolge der Variablen an. So bestimmen sowohl X1X2 als auch X2X1 dasselbe Monom. Im nichtkommutativen Polynomring sind beide Monome verschieden. Nichtkommutative Monome in n Variablen erzeugt man durch sukzessives Hinzumultiplizieren von Variablen Xi, i = 1, …, n, an ein neutrales Startelement e. Vertauschungen sind nicht erlaubt. Der Vektorraum über den derart erzeugten nichtkommutativen Monomen ist die nichtkommutative Polynomalgebra. Die Ringmultiplikation ist auf der Ebene der Monome einfach das Verketten der Monome. Durch die Faktorisierung nach zweiseitigen Idealen erhält man Algebren, in denen noch zusätzliche Vertauschungseigenschaften gelten. Solche Algebren sind von Bedeutung in der nichtkommutativen Geometrie. Die komplexe Quantenebene 𝔸q(2) zum Parameter q ∈ ℂ erhält man ausgehend vom nichtkommutativen Polynomring über ℂ in den Variablen X und Y durch Faktorisierung nach dem zweiseitigen Ideal \begin{eqnarray}(XY-qYX).\end{eqnarray} Für q = 1 erhält man die kommutative Polynomalgebra in zwei Variablen zurück. Sie entspricht der üblichen affinen Ebene.

Im analytischen Kontext nennt man Polynome auch ganzrationale Funktionen; man vergleiche dort für weitere Informationen.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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