Lexikon der Neurowissenschaft: Calciumkanäle
Calciumkanäle [von latein. calx, Gen. calcis = Kalk], Calciumionenkanäle, spannungsabhängige Calciumionenkanäle, Ca2+-Kanäle,Ecalcium channels, voltage-gated calcium channels (Abk. VGCC), spannungsaktivierte Ionenkanäle (transmembranäre Glykoproteine), die sich bei Depolarisation der Zellmembran öffnen und unter physiologischen Bedingungen selektiv für Ca2+-Ionen (Calcium) permeabel sind. Sie werden ubiquitär in elektrisch erregbaren Zellen (Nervenzellen, sekretorische Zellen, quergestreifte und glatte Muskulatur) exprimiert. Entsprechend ihren biophysikalischen Eigenschaften (unter anderem Aktivierungs- und Inaktivierungsverhalten) werden sogenannte hoch spannungsaktivierte Ca2+-Kanäle (E high voltage-activated, Abk. HVA) und niedrig spannungsaktivierte Ca2+-Kanäle (Elow voltage-activated, Abk. LVA) unterschieden. Ihre weitere Einteilung beruht hauptsächlich auf pharmakologischen Eigenschaften (Blockierbarkeit durch bestimmte Medikamente oder Toxine; siehe Tabelle). – HVA Ca2+-Kanäle werden eingeteilt in L-Typ Ca2+-Kanäle ("lasting" bzw. "large conductance"), N-Typ Ca2+-Kanäle ("neither L- nor T-type" bzw. neuronal), P/Q-Typ Ca2+-Kanäle (zuerst beschrieben in Purkinje-Zellen des Kleinhirns) und R-Typ Ca2+-Kanäle (resistent gegenüber bekannten Ca2+-Kanalblockern). LVA Ca2+-Kanäle werden auch als T-Typ Ca2+-Kanäle ("transient aktivierend") bezeichnet. Sehr häufig fungieren sie als Koppler zwischen elektrischer Aktivität und nachfolgenden zellulären Funktionen. N- und P/Q-Typ Ca2+-Kanäle vermitteln den größten Teil des Aktionspotential-bedingten Ca2+-Einstroms, der zur Neurotransmitter-Freisetzung an zentralnervösen Synapsen führt. L-Typ Ca2+-Kanäle fungieren in der Skelettmuskulatur als Spannungssensoren, deren Aktivierung zur Ca2+-Freisetzung aus dem sarkoplasmatischen Reticulum führt, im Myokard vermitteln sie die Plateauphase des Aktionspotentials ( siehe Zusatzinfo ), in Neuronen führt ihre Öffnung unter anderem zu Ca2+-abhängiger Genexpression. Ca2+-Einstrom durch VGCC kann andere Ca2+-abhängige Ionenkanäle, z.B. Ca2+-abhängige K+- und Cl--Kanäle oder Ca2+-abhängige unspezische Kationenkanäle (E CAN channels) und Ca2+-abhängige Enzyme, z.B. neuronale Stickoxid-Synthase) aktivieren. Die Aktivität vieler Ca2+-Kanäle steht unter der Kontrolle von G-Proteinen und von (de-)phosphorylierenden Enzymen. – HVA Ca2+-Kanäle bestehen aus einer die Kanalpore bildenden α1-Untereinheit sowie akzessorischen intra-, extra- oder transmembranären Untereinheiten (α2/δ, β und γ). Die α1-Untereinheit bestimmt die pharmakologischen Eigenschaften und die Ionenselektivität, akzessorische Untereinheiten beeinflussen unter anderem die G-Protein-vermittelte Modulation der Ca2+-Kanalöffnung. Die die Kanalpore bildenden α1-Untereinheiten sowie einige akzessorische Untereinheiten sind kloniert worden. Die den α1-Untereinheiten entsprechenden Proteine werden als Klasse S-, A-, B-, C-, D-, E-, F-, G-, H-, I-Ca2+-Kanalproteine bezeichnet ( siehe Tab. ). Es sind Proteine, die sich aus jeweils vier identischen Abschnitten (sogenannten internal repeats) zusammensetzen, die wiederum jeweils sechs transmembranäre Segmente enthalten. – Es gibt auch ligandengesteuerte calciumdurchlässige Ionenkanäle, z.B. die IP3-gesteuerten Kanäle des endoplasmatischen und sarkoplasmatischen Reticulums oder auch die Glutamatrezeptoren vom NMDA-Typ. Diese werden meist als Calciumfreisetzungskanäle bezeichnet; unter Calciumkanälen versteht man normalerweise die spannungsabhängigen Kanäle. Exocytose, Kaliumkanäle, Natriumkanäle.
Calciumkanäle
In den Glattmuskelzellen der Blutgefäße fehlen funktionelle Na+-Kanäle, d.h. daß Aktionspotentiale hier ausschließlich durch Ca2+-Kanäle getragen werden (Ca2+-Spikes). In Zellen des Arbeitsmyokards des Herzens, existieren neben Ca2+-Kanälen auch Na+-Kanäle in hoher Dichte. Hier wird die schnelle Phase des Aktionspotentials durch Na+-Einstrom gebildet. Die Na+-Kanäle inaktivieren allerdings innerhalb von Millisekunden. Ca2+-Kanäle können dann die Depolarisation der Zellen für einige weitere 100 ms aufrechterhalten und somit die Depolarisation und letztendlich die Muskelkontraktion verlängern.
Calciumkanäle
| |||
HVA Ca2+-Kanäle | |||
S | L | Dihydropyridine | |
A | P/Q | ω-Agatoxin IVA | |
B | N | ω-Conotoxin GVIA | |
C | L | Dihydropyridine | |
D | L | Dihydropyridine | |
E | R | noch nicht bekannt | |
F | L | Dihydropyridine | |
LVA Ca2+-Kanäle | |||
G | T | Mibefradil | |
H | T | Mibefradil | |
I | T | Mibefradil(?) |
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