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Lexikon der Mathematik: sphärische Ableitung

Begriff aus der Funktionentheorie.

Die sphärische Ableitung einer in einem Gebiet G ⊆ ℂ meromorphen Funktion f ist definiert durch \begin{eqnarray}{f}^{\#}(z):=\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{w \to z}\frac{\chi (f(w),f(z))}{|w – z|},\end{eqnarray} sofern z keine Polstelle von f ist. Dabei bezeichnet χ die chordale Metrik auf \(\hat{{\mathbb{C}}}\) (Kompaktifizierung von ℂ).

Es gilt folgende Formel zur Berechnung von f#: \begin{eqnarray}{f}^{\#}(z)=\frac{2|{f}^{\prime}(z)|}{1+|f(z){|}^{2}}.\end{eqnarray} Ist zG eine Polstelle von f der Ordnung m ∈ ℕ und setzt man f#(z) := 0, falls m ≥ 2 und \({f}^{\#}(z):=\frac{2}{|a|}\), falls m = 1, wobei a das Residuum von f an z ist, so ist f# eine stetige Funktion in G.

Die sphärische Ableitung ist invariant unter sog. Sphärendrehungen. Dies sind Möbius-Transformationen der Form \begin{eqnarray}T(z)=\frac{az-b}{\bar{b}z+\bar{a}}\end{eqnarray} mit a, b ∈ ℂ und |a|2 + |b|2 > 0. Es gilt also \begin{eqnarray}{(T \circ f)}^{\#}(z)={f}^{\#}(z)\end{eqnarray} und insbesondere (im Fall a = 0, b = i) \begin{eqnarray}{\left(\frac{1}{f}\right)}^{\#}(z)={f}^{\#}(z).\end{eqnarray} Ist z. B. f(z) = zk oder \(f(z)=\frac{1}{{z}^{k}}\) mit k ∈ ℕ, so gilt \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{f}^{\#}(z)=\frac{2k|z{|}^{k-1}}{1+|z{|}^{2k}}, & z\in {\mathbb{C}}.\end{array}\end{eqnarray} Für einen Weg γ in ℂ sei γs derjenige Weg auf der Riemannschen Zahlenkugel S2, der durch stereographische Projektion von γ auf S2 entsteht. Die sphärische Länge Ls(γ) von γ ist definiert als die Länge des Weges γs auf S2. Entsprechend ist der sphärische Flächeninhalt As (E) einer meßbaren Menge E ⊆ ℂ definiert.

Nun sei f eine in G schlichte Funktion und γ ein Weg in G. Dann gilt für die sphärische Länge des Bildweges fγ : \begin{eqnarray}{L}_{s}(f \circ \gamma)=\mathop{\int}\limits_{\gamma}{f}^{\#}(z)|dz|.\end{eqnarray} Hieraus folgt insbesondere \begin{eqnarray}{L}_{s}(\gamma)=\mathop{\int}\limits_{\gamma}\frac{2}{1+|z{|}^{2}}|dz|.\end{eqnarray} Ebenso gilt für den sphärischen Flächeninhalt der Bildmenge f(E) einer meßbaren Menge EG \begin{eqnarray}{A}_{s}(f(E))=\mathop{\iint}\limits_{E}{({f}^{\#}(z))}^{2}dxdy\end{eqnarray} und speziell \begin{eqnarray}{A}_{s}(E)=\mathop{\iint}\limits_{E}\frac{4}{{(1+|z{|}^{2})}^{2}}dxdy.\end{eqnarray} Die sphärische Ableitung spielt z. B. eine Rolle beim Satz von Marty (Marty, Satz von), der ein Normalitätskriterium für Familien meromorpher Funktionen liefert.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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