Lexikon der Neurowissenschaft: Entzündung
Entzündungw, entzündliche Reaktion, Inflammation, Inflammatio, E inflammation, umschriebene Reaktion des Gewebes auf eine Schädigung. Ursachen für die eine Entzündung kennzeichnende lokale Ansammlung von Flüssigkeit, Plasmaproteinen und weißen Blutkörperchen können sein: Exotoxine und Endotoxine von Bakterien (bakterielle Infektionskrankheiten), Viren (Viruskrankheiten), Protozoen, Würmer, Pilze, mechanische Verletzungen, Fremdkörper, Verätzungen, Cholesterin- und Harnsäureablagerungen, bestimmte Antigen-Antikörper-Reaktionen, Autoimmunkrankheiten (z.B. multiple Sklerose) und Gewebsnekrosen (z.B. nach Infarkten). Unter einer akuten Entzündung versteht man frühe und häufig vorübergehende Reaktionen, während man von einer chronischen Entzündung spricht, wenn die Infektion persistiert oder eine Autoimmunreaktion vorliegt. – Die Entzündung läuft unabhängig von der Art der Noxe im wesentlichen immer gleich ab: Im Bereich der Schädigung kommt es zunächst zu Gefäßerweiterung und Stillstand der Durchblutung, dann zur Exsudation, d.h. Austritt von Protein und fibrinhaltigem Plasma; es entsteht die entzündliche Schwellung. Durch den erhöhten Gewebsdruck, durch Peptide und Milchsäure werden die Nervenendigungen gereizt, so daß sich oft der pulssynchron pochende Schmerz im Entzündungsgebiet einstellt. Anschließend kommt es zur zellulären Reaktion, d.h., Granulocyten, Histiocyten und Lymphocyten treten aus den Gefäßen aus und gelangen an den Ort der Schädigung. In Mastzellen und anderen Zellen kann Arachidonsäure gebildet werden; diese kann über den Cyclooxygenase-Weg und den Lipoxygenase-Weg in weitere Mediatoren umgewandelt werden (Leukotriene, Thromboxane). Am Ort der Schädigung phagocytieren die Granulocyten die Bakterien und Toxine und können dabei zerfallen, wobei die Zerfallsprodukte Fieber (Hyperthermie) erzeugen können. Aus Mastzellen werden Amine (z.B. Histamin, Serotonin), aus dem Plasma Plasmin, Kallikrein sowie Polypeptide freigesetzt. – Die Gefäßerweiterung und die Erhöhung der Gefäßpermeabilität als Teile der Entzündungsreaktion auf noxische Reize wird neuronal vermittelt (sogenannte neurogene Komponente). Das sensorische Nervensystem setzt bei peripheren Entzündungen über antidrome, d.h. entgegen der natürlichen Richtung verlaufende, Aktionspotentiale vermehrt Substanz P und CGRP (calcitonin gene-related peptide) frei, die zu einer Freisetzung von Interleukin-1 (Il-1) und TNF-α (Tumor-Nekrose-Faktor-α) und dadurch wiederum zu noch mehr Substanz P und seinem Rezeptor führen. Dies spielt vermutlich eine Rolle bei chronischer Poly-Arthritis, Colitis ulcerosa, Crohn-Krankheit, Appendizitis u.a. Im Rückenmark werden endogene Opioide und Substanz P-Rezeptoren hochreguliert, deren Balance das Maß an Entzündungsschmerz beeinflußt. – Die Meldung der Gewebsschädigung an die Repräsentationsfelder im Gehirn, die Nozizeption, erfolgt mittels Entzündungsmediatoren, z.B. Bradykinin, Serotonin und Prostaglandinen, die Nozizeptoren reizen. Über sensible Nervenfasern (Aα-Fasern, C-Fasern) erfolgt die Weiterleitung ins Zentralnervensystem. Im Rückenmark und im Hirnstamm dienen spezielle Neurone (nozizeptiv spezifische Neurone [NS-Neurone] und "Wide dynamic range"-Neurone [WDR-Neurone]) der Übernahme und Weitergabe der nozizeptiven Informationen. Diese zeigen bei Entzündung oder Nervenschädigung gesteigerte Aktivität in ihrem Entladungsverhalten. Schmerz.
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