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Metzler Lexikon Philosophie: Qìng

(Leidenschaft, auch Affekt, Gefühl), eine wichtige Kategorie der chinesischen Ethik und Anthropologie. Wie in der westlichen Philosophie unterscheiden sich die philosophischen Hauptrichtungen hinsichtlich der positiven oder negativen Bewertung der entsprechenden psychischen Phänomene. Kong Zi (551–479) lenkt die Aufmerksamkeit darauf, indem er Qing mit dem ethischen Ideal der Menschheit (Ren, (Menschlichkeit)) verbindet: »Nur wer Menschlichkeit hat, kann Menschen lieben oder Menschen nicht mögen« (Kong Zi: Lun Yü, Gespräche). Mo Zi (468–376), der Ethiker der allgemeinen Menschenliebe und universaler Solidarität, hält sie für deren Hindernisse und fordert – wie manche Kyniker – ihre Beseitigung: »Man muß Freundlichkeit beseitigen, Haß beseitigen, so daß nur Menschlichkeit (Ren) und Gerechtigkeit (Yi) übrigbleiben« (Mo Zi: Gui Yi, Hochschätzung der Gerechtigkeit). Xun Zi (313–238) Nimmt die vermittelnde Stellung ein und plädiert – ähnlich den Stoikern – für Beherrschung und Kontrolle von Qing: »Wir müssen Qing, welche die Menschen täuschen, berichtigen ... Wir müssen diejenigen Qing, die die Menschen beunruhigen, kanalisieren« (Xun Zi: Xing E, Vom schlechten Wesen des Menschen). Die antiken Qing-Lehren werden in der Tang-Zeit durch Han Yu (768–824) in ein Schema zusammengefasst. Er kanonisiert die Siebenzahl der Qing als Freude (Xi), Zorn (Nu), Traurigkeit (Ai), Furcht (Ju), Liebe (Ai), Hass (Wu) und Begierde (Yu) und führt sie auf die »Dinghaftigkeit«, d.h. Körperlichkeit des Menschen zurück. Jedes Qing wird weiterhin in ein »Oberes, Mittleres und Unteres« eingeteilt, d.h. es kann vom Menschen in (moralisch) gutem, neutralem und schlechtem Sinne ausgelebt werden. Insgesamt stehen sie im Gegensatz (und unter der Leitung) des »geistigen Wesens« (Xing), d.h. der (konfuzianischen) eingewurzelten Tugenden Menschlichkeit (Ren), Gerichtigkeit (Yi), Sittlichkeit (Li), Weisheit (Zhi) und Vertrauen (Xin) (Han Yu: Yuan Xing, Eigentliches Wesen). Letzteren Gegensatz, der offensichtlich dem abendländisch-neuplatonischen von »Geist und Fleisch« entspricht, drückt Li Ao (772–841) so aus: »Was Menschen zu Heiligen macht, ist Xing; was das Wesen des Menschen beeinträchtigt, ist Qing« (Li Ao: Fu Xing Shu, Von der Wiedergeburt des Wesens). Qing kann ggf. Xing »zudecken«, aber durch »richtiges Denken« (Zheng Si) kann es »vernichtet werden«, was dann zur geistigen Wiedergeburt (Fu Xing, eigentl. Wiederherstellung des geistigen Wesens) führt. Der Materialist Zhang Zai (1020–1077) bemerkt dazu spöttisch: »Die meisten Menschen halten Qing für eine Belastung. Aber die Heiligen werden ihr Qing auch nicht los« (Zhang Zai: Zhi Yan, Über Wörterkenntnis). Wang Shou-ren (1472–1529) nimmt in der Ming-Zeit die konfuzianische Position ein. Aber für seinen Idealismus werden die Qing zugleich das Mittel, den Reflexionsprozess über die »eingewurzelten Ideen« im Bewusstsein in Gang zu setzen: »Wenn wir die sieben Qing gemäß der Natur kanalisieren, dann können sie für Liang Zhi (Bewusstmachung der apriorischen Ideen) dienen« (Vgl. Liang Zhi). Er zielt damit – in chinesischer Unterkühltheit – in eine Richtung, die im Westen der Idealismus eines Giordano Bruno mit den »Heroischen Leidenschaften« ebenfalls eingeschlagen hat.

Literatur:

  • L. Geldsetzer/H.-d. Hong: Chinesisch-deutsches Lexikon der chinesischen Philosophie. Aalen 1986. Art. Wesenslehre von den drei Wesenseigenschaften des Menschen (Xìng Sān Pĭn Shuō)
  • Art. Qìng. In: Großes Lexikon der chinesischen Philosophie. Shanghai 1985. S. 604–605.

LG/HDH

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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