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Metzler Lexikon Philosophie: Intensionale Semantik

(1) Teil der intensionalen Logik, der verschiedene Systeme der intensionalen Logik semantisch charakterisiert; (2) allgemein Zweig der formalen Semantik, der sich mit den semantischen Strukturen intensionaler Kontexte befasst und davon ausgehend versucht, eine natürlichen Sprachen angemessene formale Bedeutungstheorie zu entwickeln. Verstanden in diesem Sinne finden sich erste Ansätze zu einer i.n S. in den sprachphilosophischen Schriften Freges. Frege unterschied zwischen dem ›Sinn‹ und der ›Bedeutung‹ eines sprachlichen Ausdrucks. Dabei folgte er im Wesentlichen der traditionellen Unterscheidung zwischen Intension und Extension, übertrug diese jedoch auf alle Arten von sprachlichen Ausdrücken, also neben Prädikaten auch auf Namen und sogar auf Sätze (dabei wird der ›Sinn‹ eines Satzes von Frege als der durch ihn ausgedrückte ›Gedanke‹, seine ›Bedeutung‹ aber als sein Wahrheitswert festgelegt). Frege bemerkte, dass unter bestimmten Umständen, wenn eine ›ungerade Rede‹, modern: ein intensionaler Kontext, vorliegt, Ausdrücke nicht mehr für ihre normale Bedeutung, sondern für ihren Frege’schen Sinn stehen. Allerdings hat Frege, dessen Interessen v.a. der Grundlagenproblematik der Mathematik galten, diese Beobachtung nicht zu einer Theorie und damit zu einer i.n S. im eigentlichen Sinn ausgearbeitet. – Eine Fortsetzung fanden Freges Ansätze jedoch in einigen Arbeiten A. Churchs, der eine i. S. auf der Basis der Synonymierelation zwischen sprachlichen Ausdrücken konstruierte.

Für die weitere Entwicklung der i.n S. bestimmender war die von Carnap vorgeschlagene semantische Methode der Intension und Extension, die im Ansatz der Frege’schen Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung entspricht. Ein darüber jedoch hinausführender Gedanke ist, die Bedeutung eines Satzes, häufig als Proposition bezeichnet, mit den Bedingungen seines Wahrseins gleichzusetzen, da die Bedeutung eines Satzes zu kennen soviel heißt wie zu wissen, unter welchen möglichen Umständen er wahr ist. Dies führte in Gestalt der Mögliche-Welten-Semantik zu der derzeit vorherrschenden Version der i.n S. Die Festlegung des Wahrheitswertes eines Satzes, von Carnap als seine Extension angesehen, erfolgt dabei ebenso wie die Bestimmung der Extension sprachlicher Ausdrücke anderer Kategorie jeweils relativ zu einer möglichen Welt. Intensionen, im Sinne von sprachlichen Bedeutungen, können deshalb vereinheitlichend als Funktionen von möglichen Welten in Extensionen verstanden werden. So sind z.B. Eigenschaften als Intensionen von Prädikaten Funktionen, die einer möglichen Welt jeweils die Menge der Individuen oder Objekte zuordnen, auf die in dieser Welt das jeweilige Prädikat zutrifft. Die möglichen Welten selbst treten bei Carnap, der sich dabei auf Gedanken Wittgensteins beruft, noch in Form sog. Zustandsbeschreibungen auf, bei denen es sich im Wesentlichen um maximal-konsistente Satzmengen handelt. In der maßgeblich von S. Kripke geprägten weiteren Entwicklung der i.n S. wurde jedoch auf eine inhaltliche Bestimmung möglicher Welten zunehmend verzichtet. Formal übernehmen sie dann die Rolle eines Parameters in der semantischen Interpretationsfunktion. Äußerer Anlass dieser Entwicklung war der Versuch einer semantischen Darstellung der Modallogik. Die damit verbundene Bedeutungserläuterung des Notwendigkeitsbegriffs greift zurück auf die von Leibniz verschiedentlich gegebene Bestimmung von Notwendigkeit als Wahrheit in allen möglichen Welten. Für Intensionen in Carnaps Sinn kann daraus ein Identitätskriterium abgeleitet werden durch die Bestimmung von Intensionsgleichheit als notwendiger Extensionsgleichheit. Für die modale Aussagenlogik bestehen sog. Kripke-Modelle M = aus einer nicht-leeren Menge von möglichen Welten und einer Bewertungsfunktion V, die jeder Atomformel p für jede Welt w einen der beiden Wahrheitswerte wahr oder falsch zuordnet. Der Wahrheitswert komplexer Formeln ermittelt sich rekursiv aus dem Wahrheitswertverlauf der aussagenlogischen Wahrheitsfunktionen, mit der weiteren Bestimmung, dass Notwendig(A) in der Welt w wahr ist (in dem Modell M) – M ⊨w □A – genau dann, wenn A in allen Welten w' aus W wahr ist – für alle w': M ⊨w' A. Zu beachten ist hierbei, dass der intensionale Notwendigkeitsbegriff hierdurch in einem rein extensionalen Rahmen erklärt wird. Diese Darstellung gewinnt an Vielseitigkeit, wenn für jede mögliche Welt w die von w erreichbaren oder zugänglichen Welten eigens ausgewiesen werden. So lässt sich z.B. physikalische Notwendigkeit verstehen als Wahrheit in allen möglichen Welten, in denen die gleichen physikalischen Gesetze gelten und die insofern physikalisch ›zugänglich‹ sind. Formal führt dies zu der sog. relationalen Kripke-Semantik, deren Modelle M = zusätzlich eine Zugänglichkeitsrelation auf der Menge der möglichen Welten aufweisen. Bei einer zweistelligen Relation auf W lautet die Wahrheitsbedingung für Sätze unter dem Notwendigkeitsoperator: A ist notwendigerweise wahr in w (in dem Modell M) – M ⊨w □A-genau dann, wenn A in allen von w erreichbaren Welten w' wahr ist (in M) – für alle w' mit wRw': M ⊨w' A–. Die relationale Kripke-Semantik erlaubt die semantische Formulierung der üblichen intensionalen Logiken. Dies erklärt den Zusammenhang zu (1). z.B. werden in der deontischen Logik der Sollenssätze durch die Zugänglichkeitsrelation die relativ zu einer Welt moralisch vollkommenen Welten erreicht. Aufgrund der inhaltlichen Unbestimmtheit der möglichen Welten bietet sich für diese auch die Deutung als Zeitpunkte an, wodurch sich eine Semantik der temporalen Logik ergibt. Ein naheliegender Schritt ist dann die Kombination z.B. einer modalen und temporalen oder einer modalen und deontischen Logik. – Im Unterschied zu der philosophisch weitgehend unkontroversen, aber formal vielseitigen aussagenlogischen i.n S. ist die prädikatenlogische i. S. durch unterschiedliche philosophische Auffassungen geprägt. Diese ergeben sich in Verbindung mit den für die Prädikatenlogik zusätzlich zu den möglichen Welten vorauszusetzenden möglichen Individuen. Der Auffassung, für jede mögliche Welt den gleichen Individuenbereich festzusetzen, steht die Möglichkeit weltspezifischer Individuenbereiche gegenüber, die v.a. durch D. Lewis in der sog. counterpart-Theorie ausgearbeitet wurde. Die damit verbundenen identitätslogischen Fragen, wie etwa die sog. Quer-Welten-Identität, sind weiter Gegenstand philosophischer Diskussion. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die i. S. in den Arbeiten R. Montagues, der eine modale und temporale höherstufige Prädikatenlogik für die logisch-semantische Analyse eines nichttrivialen Fragments der englischen Sprache entwickelte. Da sich die relationale Kripke-Semantik zu einer sog. Umgebungssemantik verallgemeinern lässt, sind die theoretischen Grenzen der i.n S. in der herrschenden Form der Semantik möglicher Welten bislang nicht klar erkennbar. Neuerdings werden mögliche Anwendungen in der theoretischen Informatik, etwa zu Zwecken der Programmverifikation, versucht.

Literatur:

  • J. van Benthem: A Manual of Intensional Logic. Stanford 21988
  • R. Carnap: Bedeutung und Notwendigkeit. Wien/New York 1972
  • S. Kripke: Name und Notwendigkeit. Frankfurt 1981
  • R. Montague: Formal Philosophy. New Haven 1974.

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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