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Lexikon der Mathematik: Reihe

gelegentlich auch Summenfolge und, vor allem in älteren Darstellungen, oft auch unendliche Reihe genannt, die Folge der Partialsummen einer gegebenen Folge, also zu einer Folge (av) die Folge (sn), wobei \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{s}_{n}:=\sum ^{n}\limits_{v=1}{a}_{v} & (n\in {\mathbb{N}}).\end{array}\end{eqnarray} Die einzelnen av bezeichnet man als „Summanden“ oder „Glieder“ der Reihe (sn).

Hier sind die Überlegungen für Folgen, die beim Index 1 beginnen, dargestellt. Natürlich können beliebige andere ‚Startindizes‘ auftreten und entsprechend betrachtet werden.

Jede Folge (un) läßt sich als Reihe darstellen, vermöge \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{a}_{1}:={u}_{1}\,\,\,\text{und}\,\,\, {a}_{n+1}:{u}_{n+1}-{u}_{n} & (n\in {\mathbb{N}}).\end{array}\end{eqnarray} Ob man mit Folgen oder Reihen arbeitet, ist daher gelegentlich eher eine Frage der Zweckmäßigkeit.

In vielen Fällen wird man sich auf Folgen (av) reeller oder komplexer Zahlen beschränken, aber für die Definition ist zunächst nur erforderlich, daß im Zielbereich eine ‚Addition‘ erklärt ist, wie z. B. in einer Halbgruppe (H, +). Für die folgenden Konvergenzbetrachtungen muß dann natürlich noch ein Grenzwertbegriff im Zielbereich gegeben sein.

Ist (sn) konvergent (mit Grenzwert a), dann notieren wir dies als \begin{eqnarray}\begin{array}{ccc}\sum ^{\infty }\limits_{v=1}{a}_{v}\,\,\text{konvergent} \,\,\,\begin{array}{cc}\text{bzw}\text{.} & \sum ^{\infty }\limits_{v=1}{a}_{v}=a.\end{array}\end{array}\end{eqnarray} Man benützt dafür auch Sprechweisen wie: „Die ‚Reihe‘ \(\sum ^{\infty }_{v=1}{a}_{v}\) ist konvergent (mit Wert a).“ Die Zahl a wird dann auch als „Summe der Reihe“ oder „Reihenwert“ bezeichnet.

Das Symbol \(\sum ^{\infty }_{v=1}{a}_{v}\) hat also eine doppelte Bedeutung. Es bezeichnet sowohl die Folge der Partialsummen (sn) als auch ggf. den Grenzwert dieser Folge.

Falls (sn) divergent ist, sagt man: „Die ‚Reihe‘ \(\sum ^{\infty }_{v=1}{a}_{v}\) ist divergent.“ Ist (sn) bestimmt divergent, dann notiert man auch \begin{eqnarray}\begin{array}{ccc}\sum ^{\infty }\limits_{v=1}{a}_{v}=\infty & \text{bzw}\text{.} & \sum ^{\infty }\limits_{v=1}{a}_{v}=-\infty \end{array}.\end{eqnarray}

Auf die Benennung des Summationsindexes kommt es natürlich auch hier nicht an, es ist zum Beispiel: \begin{eqnarray}\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}{a}_{v}=\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{\lambda =1}{a}_{\lambda }\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{j=1}{a}_{j}=\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{\heartsuit=1}{a}_{\heartsuit}=\cdots.\end{eqnarray} Es wäre falsch, in einer Reihe eine Summe mit unendlich vielen Summanden zu sehen, denn eine solche Auffassung würde leicht zu Trugschlüssen führen. Eine Reihe ist nichts anderes als die Folge der Partialsummen, und das entsprechende Summensymbol \(\sum ^{\infty }_{v=1}{a}_{v}\) nur eine abkürzende Bezeichnungfür „Folge der Partialsummen“ (sn) bzw. – gegebenenfalls – für den „Grenzwert der Folge der Partialsummen“ usw.

Formal sauber und unmißverständlich – dies ist aber unüblich – wäre es, die Reihe (sn) zu einer Folge a := (av) etwa mit \begin{eqnarray}\sum ^{}a\end{eqnarray} zu bezeichnen, also \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}\left(\sum ^{}a\right)(n):={s}_{n}=\sum ^{n}\limits_{v=1}{a}_{v} & (n\in {\mathbb{N}}).\end{array}\end{eqnarray} Für die nachfolgenden Überlegungen beschränken wir uns auf die reellen oder komplexen Zahlen als Zielbereich, obwohl das meiste wesenüich allgemeiner (etwa in Banachräumen) gemacht werden könnte:

Der direkte Konvergenznachweis (über die Definition) ist oft relativ mühsam; hilfreich sind deshalb die zahlreichen Konvergenzkriterien für Reihen. Als eigenüich triviale Hilfsmittel sind zunächst die Regeln für das Rechnen mit Reihen (u. a. die Linearität) zu beachten, sowie die Tatsache, daß Abändern, Weglassen oder Hinzufügen von endlich vielen Gliedern einer Reihe das Konvergenzverhalten nicht ändert (wohl aber in der Regel den Reihenwert).

In einer konvergenten Reihe können beliebig oft endlich viele aufeinanderfolgende Glieder durch Klammern zusammengefaßt werden, ohne das Konvergenzverhalten und den Reihenwert zu ändern. (Daß Klammern nicht weggelassen werden ‚dürfen‘, zeigt das Beispiel \({a}_{n}:={(-1)}^{n}(n\in {\mathbb{N}})\), wenn man zunächst je zwei aufeinanderfolgende Summanden klammert.)

Um die Konvergenz einer Reihe mit beliebigen Gliedern \({a}_{v}\in {\mathbb{C}}\,(v\in {\mathbb{N}})\) zu erkennen, wird man zunächst überprüfen, ob sie sich mit Hilfe der absoluten Konvergenz (absolut konvergente Reihe, Konvergenzkriterien für Reihen) erschließen läßt.

Einige der wichtigsten Kriterien für absolute Konvergenz sind Majorantenkriterium und Minorantenkriterium (durch Vergleich mit schon bekannten Reihen), Wurzelkriterium, Quotientenkriterium (beruhen beide auf einem Vergleich mit der geometrischen Reihe) und seine Verfeinerung zum Raabe-Kriterium, weiter Verdichtungskriterium und das aus dem Monotoniekriterium für Folgen unmittelbar abzulesende Kriterium:

Eine Reihe ist genau dann absolut konvergent, wenn die Partialsummen der zugehörigen Beträge beschränkt sind.

Daneben hat man das Integralkriterium und die Kriterien von Abel und Diriehlet (Abel, Konvergenzkriterium von, Diriehlet-Kriterium). Ist der Nachweis über die aufgeführten Kriterien nicht möglich, oder ist die Reihe nicht absolut konvergent, so stehen zur Feststellung der etwaigen Konvergenz der Reihe der direkte Konvergenznachweis, das Cauchy-Konvergenzkriterium für Reihen, das lediglich die Vollständigkeit von \({\mathbb{R}}\) bzw. \({\mathbb{C}}\) übersetzt, und – für alternierende Reihen, d. h. Reihen mit abwechselnd nicht-negativen und nichtpositiven Gliedern – das Leibniz-Kriterium zur Verfügung.

Eine unmittelbare Folgerung aus dem Gauchy-Konvergenzkriterium für Reihen ist, als notwendiges Kriterium, daß die av eine Nullfolge bilden: \begin{eqnarray}\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}{a}_{v}\,ist \,konvergent\Rightarrow {a}_{n}\to 0\,\,(n\to \infty ).\end{eqnarray} Darüber hinaus bilden die ‚Reihenreste‘ \begin{eqnarray}\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=n+1}{a}_{v}=\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}{a}_{n+v}\end{eqnarray} einer konvergenten Reihe \(\sum^{\infty}\limits_{v=1}{a}_{v}\) eine Nullfolge.

Umgekehrt folgt aus an → 0 nicht die Konvergenz von \(\sum^{\infty}\limits_{v=1}{a}_{v}\). Standardbeispiel dazu ist die divergente harmonische Reihe \(\sum ^{\infty}\limits_{v=1}\frac{1}{v}\).

Die Konvergenzkriterien für absolut konvergente Reihen beruhen u. a. auf dem zentralen einfachen Satz:

Ist die Reihe \(\sum^{\infty}\limits_{v=1}{a}_{v}\), absolut konvergent, dann ist sie konvergent, und es gilt \begin{eqnarray}\left|\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}{a}_{v}\right|\le \mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}|{a}_{v}|.\end{eqnarray}

Eine absolut konvergente Reihe ist also stets konvergent, sogar unbedingt konvergent, doch die Umkehrung gilt nicht: Mit dem Leibniz-Kriterium sieht man z. B. ganz leicht, daß die Reihe \begin{eqnarray}\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{n=1}{(-1)}^{n}\frac{1}{n}\end{eqnarray} konvergent ist. Die Reihe der Beträge ist jedoch – als harmonische Reihe – nicht konvergent, die Reihe selbst also nicht absolut konvergent.

Für komplexe Folgen (an) gelingt die Zurückführung auf Konvergenz in ℝ durch den folgenden Satz:

\({\sum _{v={1}}^{\infty }}\,a_v\)av ist genau dann konvergent, wenn \({\sum _{v={1}}^{\infty }} \text{Re}(a_v)\)und \({\sum _{v={1}}^{\infty }} \text{Im}(a_v)\)konvergent sind. Im Falle der Konvergenz hat man \begin{eqnarray}\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}{a}_{v}=\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}\mathrm{Re}({a}_{v})+i\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}\text{Im}({a}_{v}).\end{eqnarray}

Ein weiteres – in seinen Grundgedanken auf Niels Henrik Abel zurückgehendes – Kriterium, das bei vielen wichtigen Typen von Reihen herangezogen werden kann, ist:

Ist die Reihe \({\sum _{v={1}}^{\infty }}\,a_v\)konvergent und die Folge (bv) monoton und beschränkt, so konvergiert auch die Reihe \begin{eqnarray}\mathop{\sum ^{\infty }}\limits_{v=1}{a}_{v}{b}_{v}.\end{eqnarray}

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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