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Lexikon der Astronomie: stellare Schwarze Löcher

Schwarze Löcher treten auf sehr vielfältige Weise im Universum in Erscheinung. Ein Kriterium, um diese Löcher zu klassifizieren ist die Masse bzw. ihre kosmische Entwicklung. Die stellaren Schwarze Löcher sind in dieser Hinsicht etwa so schwer wie Sterne, genauer zwischen drei und etwa hundert Sonnenmassen. In diesem Sinne sind sie als stellar zu verstehen. Ansonsten unterscheiden sich stellare Schwarze Löcher extrem von Sternen. Andere Klassen von Schwarzen Löchern sind die Mini-Löcher, die primordialen Schwarzen Löcher, mittelschwere Schwarze Löcher (intermediate-mass black holes) und supermassereiche Schwarze Löcher.

So entsteht ein stellares Schwarzes Loch

Im Rahmen der Sternentwicklung wandeln die Sterne in verschiedenen Umsetzungszyklen (pp-Kette, CNO-Zyklus etc.) allmählich den nuklearen Brennstoff aus leichten chemischen Elementen in schwere Elemente um. Dies geschieht im heißen Innern über die thermonuklearen Fusionsreaktionen. Dabei entsteht nicht nur Wärme, sondern vor allem auch das charakteristische Sternenlicht, die Leuchtkraft des Sterns. So könnte es ewig weitergehen, wäre da nicht eine natürliche, kernphysikalische Grenze bei dem etwa mittelschweren Element Eisen: Bei der Fusion dieses Elements wird keine Energie mehr frei, so dass nun das hydrostatisches Gleichgewicht des Sterns empfindlich gestört wird, weil die zentrale Energiequelle versiegt. So tritt der Gravitationskollaps ein und der Stern fällt in sich zusammen.
Am Ende dieses Kollapses steht eine Endkonfiguration, die sehr kompakt ist. Wie sie genau beschaffen ist, hängt im Wesentlichen von der Restmasse des Vorläufersterns ab. In der Astronomie unterscheidet man folgende kompakte Objekte:

Neben diesen klassischen drei Vertretern, könnten sich zukünftig die hypothetischen Typen Quarkstern (engl. quark star, QS), seltsamer Stern, Gravastern (engl. gravastar) und Holostern (engl. holostar) als Alternativen bewähren.

gewaltige Sternexplosionen

Bei ausreichend hoher Masse des Vorläufersterns ist der Kollaps und die Verwandlung in einem katastrophalen Ereignis in weiten Teilen des Universums zu sehen. Denn die kollabierenden Sternhüllen werden am kompakten Sternkern reflektiert und treiben eine heftige Sternexplosion: eine Supernova oder eine Hypernova bzw. einen Gammastrahlenausbruch. Hier wird ein Teil des kollabierenden Sterns wieder in den interstellaren Raum geblasen, während der Sternkern im freien Fall in sich zusammenfällt. Bei diesen Sternexplosionen überstrahlt der sterbende Stern für kurze Zeit die Galaxie, in der er sich befindet!

Der ultimative Sieg der Gravitation: ein Loch entsteht

Welche neue Gestalt der Sternkern hat, entscheidet seine Masse. Der Kollaps kann durch Drücke aufgehalten werden, die nur mit der Quantentheorie (nämlich dem Pauli-Prinzip) zu verstehen sind. So kann der Entartungsdruck der Fermionen (Elektronen bei WD, Neutronen bei NS) zur Stabilisierung des Kollapsars führen; überschreitet die Kollapsmaterie eine Masse von etwa drei Sonnenmassen, so ist die Bildung eines stellaren Schwarzen Loches unausweichlich!

Eigenschaften des stellaren Loches

Es ist auf der Basis des Drehimpulserhaltungssatzes der Physik anzunehmen, dass sich die Rotation des Vorläufersterns auf das Loch überträgt. Ein rotierendes Schwarzes Loch wird in Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie als rotierende Raumzeit beschrieben. Hier verwenden die Theoretiker im Speziellen die Kerr-Lösung. Diese Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen hat nur zwei Eigenschaften: Masse und Drehimpuls (= Rotation). Alle anderen 'Haare' (siehe Keine-Haare-Theorem) des Vorläufersterns werden durch die Emission von Gravitationswellen abgestrahlt.

Wo gibt es stellare Löcher?

Stellare Schwarze Löcher sind in der Milchstraße häufig anzutreffen, und es gibt sehr gute Kandidaten, die vielerorts als Röntgendoppelsterne in Erscheinung treten. Von diesen Röntgendoppelsternen mit Schwarzem Loch (black hole X-ray binary, BHXB) kennen die Astronomen derzeit etwa 40 Stück in unserer Heimatgalaxie (McClintock et al., ApJ 2006) – sicherlich gibt davon tausende. Es muss sie aber auch in anderen Galaxien in großer Zahl geben!.
In einem BHXB bilden stellare Schwarze Löcher eine Partnerschaft mit einem 'normalen' Stern. Es gibt nicht nur Doppel-, sondern auch Mehrfachsternsysteme. Ist der Begleiter ein Riesenstern, so kann es zur Überschreitung des Roche-Volumens kommen. Dann findet ein Massentransfer über den inneren Lagrange-Punkt auf die kompakte Komponente, das Loch, statt. Auf diese Weise wird das Schwarze Loch von seinem Wirtsstern gefüttert und durch Akkretion aktiv.

einige Quellennamen von stellaren Löchern

Zu den Galaktischen Schwarzen Löcher (engl. Galactic Black Holes, GBHs) zählen beispielsweise

  • das historisch zuerst entdeckte Schwarze Loch Cyg X-1,
  • das nächstgelegene kosmische Schwarze Loch überhaupt: XTE J1118+480,
  • Cyg X-3, wie Cyg X-1 im Sternbild Schwan (international: Cygnus),
  • das mit 14 Sonnenmassen bislang schwerste stellare Schwarze Loch in GRS 1915+105, das auch nahe am Maximalwert rotiert.

Jets von stellaren Löchern

In Analogie zu den Quasaren, die leuchtkräftigste Variante Aktiver Galaktischer Kerne, nennt man einige Röntgendoppelsterne wie GRS 1915+105 Mikroquasare. Sie zeigen wie ihre gigantischen Brüder relativistische, radiolaute Jets.

Ursprung der Röntgenstrahlung

Die starke Röntgenemission ist eine Folge der Materieaufsammlung (Akkretion) des Schwarzen Lochs. In der Regel bildet sich bei der Akkretion eine undurchsichtige (Astronomenjargon: optisch dicke) Standardscheibe aus. Die Scheibe strahlt Wärmestrahlung ab, die wegen der enormen Temperaturen im inneren Bereich der Scheibe im Röntgenbereich liegt. Das ist gerade die Röntgenstrahlung der BHXBs. Die Scheibe reicht nach innen bis zur so genannten marginal stabilen Bahn. Dieser Innenrand ist näher beim Loch, wenn es rotiert. Die Röntgenstrahlung wird umso energiereicher (härter), wenn der Innenrand näher am Loch liegt. Auf diese Weise nutzen Röntgenastronomen die Röntgenstrahlung, um die Eigenschaften der Akkretionsscheibe und die Lochrotation zu messen. Eine weitere Methode, die diese Eigenschaften zu bestimmen erlaubt, ist die Analyse von Eisenlinien. Sie werden jedoch nicht von allen Quellen ausgesandt.
Letztendlich fällt das meiste akkretierte Materiel in das 'Nadelöhr Loch'. Das kompakte Gebiet wird dabei stark aufheizt und setzt neben der hochenergetischen, thermischen Strahlung (Planckscher Strahler) auch nicht-thermische Strahlung wie Synchrotronstrahlung frei. Außerdem zeigen sich in den Spektren Comptonisierte Kontinua: weiche Strahlung aus der Umgebung (Scheibe, Hintergrundstrahlung) wird hier durch inverse Compton-Streuung in harte Strahlung verwandelt. So entstehen die harten Röntgen- und Gammaspektren.
Je nachdem, wie viel Futter das Loch pro Zeit erhält (wie groß demnach die Akkretionsrate ist) können sich innen auch andere Akkretionsflüsse ausbilden. Einer davon ist der advektionsdominierte Akkretionsfluss oder ADAF, der räumlich ausgedehnt und evaporiert ist. Im Gegensatz zur Standardscheibe ist er auch durchsichtig (optisch dünn) und kann die Funktion einer Korona übernehmen.

kleine und große Löcher sind verwandt

Die Akkretionsphysik ist bei allen Schwarzen Löchern – egal wie schwer – ähnlich. Die Astrophysiker versuchen alle Löcher mit einer einheitlichen Physik zu beschreiben. Durch die Materieaufsammlung wächst das Loch: die Masse wird größer und damit auch der Einflussbereich des Loches (z.B. der Ereignishorizont). Ein Teil der einfallenden Materie wird jedoch wieder vom Loch als Jets und Winde herausgeschleudert.
Die Verwandtschaft von stellaren und supermassereichen Schwarze Löcher konnte anhand charakteristischer Zeitskalen in Variationen der Röntgenstrahlung demonstriert werden (McHardy et al., Nature 444, 730, 2006). Der Schlüssel für diese Entdeckung bestand darin, dass die zeitlichen Variationen um die Akkretionsrate korrigiert werden müssen, bevor man leichte und schwere Löcher vergleicht.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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